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Mehr als 50 Prozent der angehenden Mediziner sind heute weiblich; doch nur
wenige Frauen schaffen es bis an die Spitze einer Klinik und ihres Fachgebiets,
obgleich sie nicht weniger talentiert und qualifiziert sind. In den entscheiden-
den Jahren des Karriereaufbaus – spätestens nach der Facharztausbildung –
geraten Frauen, die auf Kinder nicht verzichten möchten, in ein Dilemma.
Mangelhafte Betreuungsmöglichkeiten und fehlende Teilzeitstellen erschwe-
ren den Wiedereinstieg.
Die Universitäts-Chirurgie ist besonders hart: Lange, schwer planbare Operati-
onen erschweren den Spagat zwischen Operationssaal und Klinik, Forschung,
Lehre und Familienleben. Bei der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung
„Ärztin heute“ im September 2011 äußerte sich der Ärztliche Direktor der
Chirurgischen Klinik, Professor Markus Büchler, skeptisch, wie die Vier-
fachbelastung unter einen Hut zu bringen sei. Angesichts eines drohenden
Ärztemangels wird das Klinikum jedoch künftig auf das Potential junger Ärztin-
nen nicht verzichten können: Der Leitende Ärztliche Direktor Professor Rüdiger
Siewert sah bei der Veranstaltung keine Alternative dazu, Arbeitszeitmodelle
und Karrierewege für junge Ärztinnen am Universitätsklinikum zu etablieren.
Ihr Forschungsschwerpunkt ist
erblicher Darmkrebs
Martina Kadmon ist ihren ganz persönlichen Weg gegangen: Nach dem
Medizinstudium in Heidelberg ging sie zur chirurgischen Ausbildung zunächst
an das Kreiskrankenhaus in Bad Bergzabern, eineinhalb Jahre später an die
Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg, wo sie ihre Facharztausbildung in
Allgemeinchirurgieabsolvierte. 1997wurde ihreTochter geboren; nachachtMo-
naten Erziehungsurlaub setzte sie ihre chirurgische Tätigkeit zunächst an der
Universitätsklinik, dann als Oberärztin am St. Josefkrankenhaus in Heidelberg
fort. Doch das Interesse an Forschung und Lehre zog sie zurückan die Uniklinik.
Hier widmet sie sich seitdem besonders dem Thema erblicher Darmkrebs:
Patienten, die an einer vererbten Häufung von Polypen im Darm leiden,
erkranken mit hoher Wahrscheinlichkeit an Darmkrebs. Deshalb müssen die
Polypen, meist große Teile des Darms, entfernt werden. Oft sind mehrere
Familienmitglieder betroffen. In diesem Bereich hat sie auch wissenschaftli-
che Arbeiten veröffentlicht. Ihre Habilitationsarbeit beschäftigt sich mit dem
Aufbau und der Auswertung des Heidelberger Polyposis-Registers.
Eine Chirurgin mit Passion
für Forschung und Lehre
Martina Kadmon gehört zu den Pionie-
ren der ersten Stunde, die vor mehr
als zehn Jahren das
Heidelberger
Curriculum Medicinale (HeiCuMed)
eingeführt haben. Seitdem entwi-
ckelt sie den Reformstudiengang für
Medizin stetig weiter und hat sich
2008 in Bern sogar zum
„Master of
Medical Education“
ausbilden lassen,
untersuchte u.a. den Einsatz eines
interaktiven Logbuchs im Praktischen
Jahr. Die Beschäftigung mit Fragen der
Eignung zum Medizinstudium führte
dazu, dass sie 2006 die Koordinati-
onsstelle für den
Test für Medizinische
Studiengänge (TMS)
aufbaute und
seitdem leitet. Mittlerweile nehmen
jedes Jahr einige Tausend Interes-
senten an dem Test teil, der für 14
Universitäten neben dem Abitur über
die Zulassung zum Medizinstudium
entscheidet. Jungen Frauen, die ihr
Berufsziel in einer Karriere an der
Chirurgischen Universitätsklinik
sehen, möchte Martina Kadmon noch
einen Tipp mit auf den Weg geben:
„Wenn Sie gerne wissenschaftli-
che Arbeit mit komplexer Chirurgie
verknüpfen möchten, trauen Sie sich
diesen Weg zu! Hospitieren Sie an
Kliniken, die für Sie interessant sind
und machen Sie sich ein eigenes Bild
von den Möglichkeiten der klinischen
Weiterbildung und den Optionen für
Forschungstätigkeit. Und wenn Sie
dann da sind, schließen Sie sich einer
gut funktionierenden und unterstüt-
zenden Arbeitsgruppe an! Aber vor
allem: Lassen Sie sich nicht davon
überzeugen, dass die Universitäts-
chirurgie für Frauen nichts ist!“
Universitäts-Laufbahn
nach kurzer Familienpause