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FORSCHUNG
Neues aus der
Forschung
Veränderungen an zwei be-
stimmten Stellen im Erbgut
erhöhen das Risiko, an
einem seltenen Knochen-
markkrebs, dem Multiplem
Myelom, zu erkranken: Erst-
mals haben Wissenschaft-
ler aus London und Heidel-
berg bei mehr als 1.600
Betroffenen
genomweit
nach
charakteristischen
Veränderungen gesucht und dabei
genetische Risikofaktoren ent-
deckt. „Das gibt uns die ersten konkreten
Hinweise auf molekulare Prozesse inner-
halb der Knochenmarkzellen, die bei der
Entstehung des Multiplen Myeloms eine
Rolle spielen könnten“, er-
klärt Dr. Niels Weinhold von
der Medizinischen Klinik,
Sektion Multiples Myelom
(Leiter: Professor Dr. Hart-
mut Goldschmidt), der in
Zusammenarbeit mit Pro-
fessor Dr. Kari Hemminki
vom DKFZ das Screening
der deutschen Pati-
entenproben koordi-
nierte. An der weg-
weisenden
Studie,
veröffentlicht in Nature Genetics, waren
außerdem Arbeitsgruppen des Instituts für
Krebsforschung am Royal Cancer Hospital
in London beteiligt.
Das Multiple Myelom ist eine bösartige Er-
krankung weißer Blutkörperchen im Kno-
chenmark. In Deutschland erkranken jähr-
lich etwa 3.500 Menschen an dieser
Krebserkrankung des blutbildenden Sy-
stems, rund 25.000 sind es europaweit.
Die Krebszellen stören die Blutbildung und
schwächen die Knochensubstanz; Kno-
chenschmerzen und -brüche, Blutarmut
und Anfälligkeit für Infekte sind die Folgen.
Medikamente können die Symptome zu-
rückdrängen. Häufig kommt es jedoch
nach einiger Zeit zu einem Rückfall und zur
Therapieresistenz.
TB
Multiples Myelom:
Genetische Risikofaktoren entdeckt
Können Nervenzellen im Gehirn aufgrund eines
genetischen Defekts kein funktionsfähiges Ge-
rüstprotein SHANK2 bilden, ist ihre Kommunika-
tion mit anderen Nervenzellen gestört. Mäuse
mit solchen fehlerhaften Proteinen zeigen Ver-
haltensauffälligkeiten, die autistischen Stö-
rungen beim Menschen ähnlich sind. Diesen
Zusammenhang haben Wissenschaftler der Ab-
teilung Molekulare Humangenetik um Professor
Dr. Gudrun Rappold und des Max Planck
Instituts für medizinische Forschung in
Heidelberg erstmals nachgewiesen. Die
Ergebnisse wurden in „Human Molecular
Genetics“ publiziert.
2010 hatten die Wissenschaftler zehn bis dato unbekannte
SHANK2-Mutationen bei Patienten mit autistischer Störung oder
geistiger Behinderung entdeckt. In der aktuellen Arbeit nahmen
sie drei davon näher unter die Lupe. „Mit unseren Versuchen ha-
ben wir erstmals gezeigt, dass diese Mutationen zu
morphologischen Veränderungen in den Nervenzel-
len führen und bei Mäusen Symptome auslösen
können, wie sie in ähnlicher Weise bei autistischen
Störungen auftreten“, erklärt Rappold.
Autismus ist eine angeborene Wahrnehmungs- und
Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns, die
häufig mit verminderter, selten aber auch über-
durchschnittlicher Intelligenz und Spezial-
begabungen wie einem fotografischen Ge-
dächtnis einhergeht. Die Erkrankung ist
gekennzeichnet durch Sprachdefizite, ein-
geschränkte soziale Interaktion und stereotype Verhaltenswei-
sen. Darüber hinaus sind autistische Störungen sehr heterogen.
Bisher sind nur wenige Mutationen bekannt, die Autismus aus-
lösen können; die Auswirkungen dieser genetischen Verände-
rungen auf die Nervenzellen sind noch wenig erforscht.
TB
Defektes Gerüstprotein in Nervenzellen
verursacht Autismus
Professor Dr. Gudrun Rappold, Abteilung
Molekulare Humangenetik.
Dr. Niels Weinhold, Sekti-
on Multiples Myelom.