Seite 18-19 - KLINIKTICKER 01

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Titelthema
Titelthema
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Psychosozialer Beistand auf
einem langen Weg
Einfühlungsvermögen und ein
gutes Timing
E
ine Herztransplantation ist ein langer und be-
lastender Weg für die Patienten und ihre An-
gehörigen; meist beginnt er bereits viele Jahre
vor der Operation.
Herzkranke müssen die Teilnahme am sozialen Leben
oft erheblich reduzieren. Untersuchungen zur Aufnahme
in die Warteliste für eine Transplantation und das War-
ten auf das rettende Organangebot können seelisch sehr
belastend sein. Viele Patienten und Angehörige leiden
unter Niedergeschlagenheit, Antriebs­losigkeit, großen
Ängsten, Konzentrations- und Schlafstörungen.
Eine psychosoziale Unterstützung vor und nach einer
Herztransplantation ist deshalb wichtig. Am Universi-
tätsklinikum Heidelberg wird diese Aufgabe von der
Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosoma-
tik der Medizinischen Klinik wahrgenommen (Prof. Dr.
Wolfgang Herzog). „Wir lernen jeden Patienten in einem
persönlichen Gespräch kennen, bevor er auf die Warte-
liste aufgenommen wird“, erklärt Privatdozent Dr.
Jobst-Hendrik Schultz, Leiter des psychokardiologi-
schenKonsildienstes. „Wir helfen denErkrankten sowie
EINE HERZTRANSPLANTATION STELLT DEN ANÄSTHESISTEN VOR BESONDERE
HERAUSFORDERUNGEN
VOR UND NACH DER HERZTRANSPLANTATIONWERDEN PATIENTEN UND ANGEHÖRIGE
VON PSYCHOSOMATIK-EXPERTEN BETREUT
H
erztransplantationen sind besondere Eingriffe – auch für den Anästhesisten. Zunächst geht es um
das richtigeTiming: DieNarkose darf erst eingeleitet werden, wenn sicher ist, dass das Spenderorgan
tatsächlich geeignet ist. Außerdem hat sie besondere Risiken: Die Herzfunktion des Empfängers ist
so stark eingeschränkt, dass für die meisten anderen Eingriffe eine Narkose ein unvertretbares Risiko dar-
stellen würde. Der Heidelberger Anästhesist und Oberarzt Dr. Helmut Rauch betreut seit vielen Jahren Pati-
enten, die in Heidelberg ein neues Herz bekommen.
„Die letzte Sicherheit ergibt sich jedoch erst bei der
Entnahme des Organs beim Organspender“, berichtet
Rauch. Ab dann läuft die Uhr, jede Minute Verzögerung
zwischen der Entnahme und demAnschluss des Spender­
Medikamente gegeben. Unterstützt wird der Anästhe-
sist dabei von einer speziell ausgebildeten und in diesem
hochsensiblen Bereich erfahrenenAnästhesiepflegekraft.
Die Narkosemittel müssen so vorsichtig dosiert werden,
dass es nicht zu einem Herz-Kreislaufversagen kommt,
bis der Patient an die Herz-Lungen-Maschine ange-
schlossen werden kann. Andererseits soll der Patient
natürlich schlafen und von der Operation nichts mit
bekommen, so dass auch eine zu flache Narkose vermie-
den werden muss. Da ist neben allem Monitoring, wie
einer speziellen Auswertung der Hirnströme zur Narko-
setiefenmessung, die Kunst des Anästhesisten gefragt.
Wenn das Spenderherz eingesetzt ist und schlägt, kann
es zu Problemen kommen: Das Kreislaufsystemdes Emp­
fängers arbeitet sozusagen „gegen das neue, gesunde
Organ“. Der ref lektorisch erhöhte Widerstand in den
Blutgefäßen muss jetzt mit einer differenzierten Kreis-
lauftherapie gesenkt werden, da dieser sonst das Spender­
organ innerhalb kurzer Zeit zumVersagen bringen kann.
Der Anästhesist muss dazu die Daten des Basismonito-
rings sowie der erweiterten Kreislaufüberwachung,
insbesondere der Blutdrücke im großen und kleinen
Kreislauf sowie derHerzfunktion imUltraschall, richtig
interpretieren und seine Therapie danach steuern.
Regelmäßig kommt Stickstoffmonoxid, das über die Beat­
mung zur gezielten Senkung des Lungengefäßwider-
standes gegeben wird, zum Einsatz. Wiederummüssen
zahlreiche spezielle Medikamente gegeben, Blutverluste
ersetzt und evtl. auftretende Störungen der Blutgerin-
nung rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
„Wichtig hierbei ist die eingespielte Teamarbeit mit der
Anästhesiepflegekraft“, so Dr. Rauch. Und, „ganz neben-
bei“, muss auch die Narkose weiterlaufen ... 
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den Angehörigen bei der Verarbeitung der Herzerkran-
kung und kooperieren dabei eng mit den Kardiologen
und Herzchirurgen.“ Bei Bedarf werden die besonders
belasteten Patienten auf Station besucht; Patienten und
Angehörigen können Termine in der psychokardiologi-
schen Ambulanz vereinbaren.
Zusammenarbeit mit Selbsthilfeverein
„Herztransplantation Südwest“
DieHerztransplantationsgruppe findet einmal monatlich
in der Psychokardiologischen Ambulanz der Medizini-
schen Klinik statt und wird von erfahrenen Ärzten
geleitet. Dort vermitteln Herzchirurgen, Kardiologen,
Ernährungswissenschaftler und Psychologen etc. den
Patienten wichtige Informationen zum Themenbereich
Herztransplantation. Die Patienten können dort zudem
ihre Sorgen und Nöte vorbringen und sich mit anderen
Betroffenen austauschen, was viele als wohltuend emp-
finden. Die Gruppe ist sowohl für Patienten vor und nach
einer Herztransplantation als auch für derenAngehörige
offen. Die Veranstaltungenwerden durch den Selbsthilfe­
verein „Herztransplantation Südwest e.V.“ unterstützt.
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organs an den Kreislauf des Empfängers verschlechtert
jetzt die Chancen auf eine Funktionstüchtigkeit des
Organs. Bis das endgültige telefonische O.K. vomEntnah­
meteam kommt, sei oft das Einfühlungsvermögen des
Anästhesisten gefragt, der mit dem Patienten im Einlei-
tungsraum auf die erlösende Nachricht wartet. „Das ist
besonders schwierig in den Fällen, in denen sich das
Organ im letztenMoment als nicht geeignet erweist und
die Hoffnung des Patienten enttäuscht werdenmuss.“
Manchmal arbeitet der Kreislauf gegen
das neue Herz
Wenn aber das O.K. da ist, muss die Narkose schnellst-
möglich eingeleitet, muss die Kreislauffunktion stets
genau erfasst werden durch einenKatheter in der Lungen­
arterie und eine Ultraschallsonde, die in die Speise­
röhre eingebracht wird. Außerdem werden mehrere
Eine Vielzahl
spezieller Medikamen-
te kommt während der
Narkose für eine
Herztransplantation
zumEinsatz