Seite 45 - Klinikticker Mai 2014

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Aus Forschung und Lehre
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Wie sprechen Tumorzellen auf Krebsmittel an?
Beeinflusst der neueWirkstoff dasWachstumder Krebs­
zellen? Unterstützt er die Chemotherapie? Das können
Wissenschaftler der Chirurgischen Klinik schnell und
präzise mit dem neuen „OdysseyCLx Infrared Imaging
System" ermitteln; die Dietmar Hopp Stiftung hat die
Anschaffung mit 90.000 Euro unterstützt. Das Gerät
misst die Menge bestimmter Eiweiße, die vor und nach
der Behandlung in den Tumorzellen gebildet werden:
Automatisch und in einem Arbeitsschritt bestimmt es
mittels Infrarotlicht die Menge mehrerer Proteine
gleichzeitig – sowohl in Zellkulturen, Gewebeschnitten
als auch in Mäusen. „Das erleichtert die Suche nach
neuen Krebstherapien", sagt Professor Dr. Ingrid Herr,
die am 1. März 2014 die administrative Leitung der
Abteilung Experimentelle Chirurgie übernommen hat.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie haben große Bedeu­
tung für die Therapie älterer Schlaganfallpatienten. Die
Analyse schloss 112 Patienten zwischen 61 und 82 Jah­
ren nach schwerem Schlaganfall ein, die entweder nur
intensivmedizinisch behandelt wurden oder sich einer
Entfernung der Schädeldecke innerhalb von 48 Stunden
nach dem Infarkt unterzogen. Die Studie wurde bereits
nach dem Einschluss von 83 Patienten aufgrund der
hohen Überlegenheit der operativen Behandlung
gestoppt. Die Sterblichkeit wurde durch die OP von 70
auf 33 Prozent vermindert. Allerdings liegt der Anteil
von sehr schwerbehinderten Patienten in der operierten
Gruppe bei fast 30 Prozent.
„Ein Überleben mit schwerer Behinderung wird beson­
ders in höherem Lebensalter von vielen Patienten nicht
akzeptiert", berichtet Professor Unterberg. „Dahermuss
gerade bei älteren Patienten mit den Betroffenen und
ihren Angehörigen im Einzelfall gut abgewogen werden,
ob diese Behandlung gewünscht wird", so Professor
Hacke.
„Ein Überleben mit schwerer Behinde-
rung wird besonders in höherem
Lebensalter von vielen Patienten nicht
akzeptiert"
Professor Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der
Neurochirurgischen Klinik
Die gemeinsame Studie beider Kliniken nähert sich
somit auch einer der großen ethischen Fragen der Medi­
zin: Welchen Preis bezahlt der Patient für seine Behand­
lung? Welche Rolle spielt die zukünftige Lebensqualität
bei der ärztlichen Therapieentscheidung? Und was ist
derWunschdes Patientenund seinerAngehörigen? 
–AT
„Erstmals ist damit bei einer älteren Patientengruppe
wissenschaftlich belegt, dass die Entfernung der Schädel­
decke, Leben retten kann", erklärt Professor Dr. Werner
Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik.
Für Patienten unter 60, so eine Heidelberger Studie vor
fünf Jahren, fällt das Ergebnis des Eingriffs günstiger
aus. „Bei den jüngeren Patientenwurden die Überlebens­
chancen durch die Operation verdreifacht. Außerdem
blieben selten schwere Behinderungen", sagt Professor
Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neuro­
chirurgischen Klinik. „Der geringere Behandlungsef­
fekt in der aktuellen Studie überrascht uns nicht, denn
wir wissen: Je älter ein Schlaganfall-Patient ist, desto
schlechter ist seine Prognose."
„Erstmals ist damit bei einer älteren
Patientengruppe wissenschaftlich belegt,
dass die Entfernung der Schädeldecke
Leben retten kann"
Professor Dr. Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der
Neurologischen Klinik
Die Prognose bei Patientenmit Verschluss der mittleren
Hirnarterie ist sehr schlecht: Bei nahezu 80 Prozent der
Patienten führt sie – selbst bei maximaler konservativer
intensivmedizinischer Behandlung – ohne Operation in
wenigen Tagen zum Tode. Das abgestorbene Hirnge­
webe und seine Umgebung schwellen durch die Einlage­
rung von Wasser (Hirnödem) an und der Druck im
Inneren des Schädels steigt massiv; dadurch wird
lebenswichtiges Gehirngewebe zerstört. Die Entlastungs­
operation verschafft dem geschwollenen Gewebe in der
kritischen Phase Raum. Das freigelegte Gehirnwirdmit
schützender Hirnhaut bedeckt; nach Rückgang der
Schwellung wird die Schädeldecke wieder eingesetzt.
Die OP hat geringe Risiken und kann rasch durchge­
führt werden. Seit demNachweis ihrerWirksamkeit bei
Patienten unter 60 Jahren gehört sie zur Standardthera­
pie in vielen Schlaganfallzentren. Die Sterblichkeit
konnte in dieser Altersgruppe von über 70 auf etwa 20
Prozent reduziert werden.