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Jahresbericht 2010 – 2011
Auch im Rahmen akuter und chronischer Entzündungs-
prozesse ist Sauerstoffmangel von großer Bedeutung.
Beispielsweise wird der Krankheitsverlauf chronisch
entzündlicher Darmerkrankungen durch den Sauer-
stof fmangel der entzündeten Darmschleimhaut be-
einflusst. Diesbezüglich konnte gezeigt werden, dass
eine Hemmung der PHD1-Enzymfunktion entzündete
Darmschleimhaut vor dem programmier ten Zelltod
(Apoptose) schützt. Dadurch war die Schwere expe-
rimentell ausgelöster Colitiden in PHD1-def izienten
Mäusen deutlich abmildert. Weitere Untersuchungen
bestätigten, dass die Funktion des PHD1-Enzyms bei
Colitis ulcerosa-Patienten tatsächlich das Ausmaß der
Schleimhautentzündung beeinflusst (Gastroenterology
138(3), 1143-1154, 2010).
Darüber hinaus beeinflusst der in entzündeten Gewe-
ben vorherrschende Sauerstof fmangel unmittelbar
die Funktion von Entzündungszellen wie neutrophilen
Granulozyten oder Makrophagen. In jüngsten Untersu-
chungen konnten spezifische Funktionen des PHD3-En-
zyms in bestimmten Entzündungszellen näher aufge-
schlüsselt werden. Es zeigte sich, dass das Überleben
von neutrophilen Granulozyten bei Sauerstoffmangel
insbesondere durch das PHD3-Enzym regulier t wird
( J Clin Invest 120(8), 2684-1698, 2011). Des Weiteren
zeigte sich, dass das PHD3-Enzym die Entzündungs-
verstärkende Funktion von Makrophagen regulier t.
Aus chirurgischer Sicht könnten diese Beobachtungen
für die Therapie von schweren, generalisierten Entzün-
dungszuständen (Sepsis) von Bedeutung sein.
Schließlich beeinf lusst Sauerstof fmangel in erheb-
licher Weise das Wachstum solider Tumoren.
In einem weiteren, aktuellen Forschungsprojekt der
Gruppe wird daher die spezif ische Bedeutung der
PHD-Enzyme bei der Ausbreitung von Dickdarmtumo-
ren erarbeitet. Die Durchführung dieses Projekts er-
folgt innerhalb der im Jahr 2010 an der Chirurgischen
Klinik etablierten Klinischen Forschergruppe der DFG
(KFO 227). Dabei bislang erhobene Ergebnisse weisen
darauf hin, dass das PHD3-Enzym in entscheidender
Weise das Fernmetastasierungsverhalten colorektaler
Tumore beeinflusst.
Therapeutische Strategien zur Hemmung von PHD1
Die oben dargelegten aktuellen Forschungsergebnisse
lassen den Schuss zu, dass eine zielgerichtete Hem-
mung des PHD1-Enzyms bei Hypoxie-bedingten Leber-
schäden oder auch chronisch entzündlichen Darment-
zündungen therapeutisch wirksam sein könnte. Ein
weiteres Augenmerk der Arbeitsgruppe richtet sich
daher auf die Erarbeitung von Verfahren, welche in der
klinischen Praxis zur selektiven Hemmung von PHD1
herangezogen werden könnten. Dabei werden insbe-
sondere pharmakologische Ansätze getestet, um durch
gezielte PHD-Inhibition Organschäden bei Sauerstoff-
mangel zu reduzieren, und um das Regenerationsver-
mögen der Leber nach chirurgischer Leberresektion zu
steigern.