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TITELTHEMA

Aus welchem Grund hat man sich entschlossen, eine Umfrage un-ter den Medizin-Studenten durchzuführen? Uns hat interessiert, wie die Studierenden ihr Studium in den verschiedenen Abschnitten erleben. Wel-che Belastungsphasen gibt es? Wie moti-viert und zufrieden sind die Studierenden? Die Frage, die wir uns vorab stellten, war: Können wir aus Sicht der Studierenden et-was am Gesamtcurriculum ändern?

Wie lautet das Fazit der Befragung? Die meisten Studierenden sind hoch motiviert und würden erneut Medizin studieren. Der Hauptgrund für das Studium ist bei den meisten gleich: Der Arztberuf gilt als inte-ressant, die Studierenden möchten später anderen Menschen helfen. Auch wenn die Zufriedenheit mit steigendem Semester nachlässt, ändert das nichts am Interesse für die Medizin und am Berufswunsch Arzt.

Wie erklären Sie sich die nachlassende Zu-friedenheit im Verlauf des Studiums? Zu Be-ginn sind die Studierenden natürlich voller Vorfreude und glücklich, einen Studienplatz bekommen zu haben. Im weiteren Verlauf beginnen Sie, das Studium differenzierter zu betrachten: Befähigt mich das Studium zu selbstständigem Lernen und Denken? Wie engagiert sind die Dozenten? Wie ist der Pra-xisbezug? Und wie werde ich im PJ betreut? Die Belastung während eines Medizinstudi-ums ist nicht gering, und es gibt sicher Bela-stungsspitzen.

Die Anregungen der Studierenden fießen in die Arbeit einer neu eta-blierten Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung von HeiCuMed ein. Gibt es hier schon Ergebnisse? Auchwenn die Gruppemit ihrer Arbeit erst angefangen hat – Studenten und Fachschaft haben wir übrigens mit integriert – herrscht bereits Aufbruchstimmung. Spruchreife Er-gebnisse gibt es noch nicht, aber die Ziele sind gesteckt.

Welche Ziele sind das? Drei zentrale Themen, die in der Befragung immer wieder genannt wurden, werden wir aufarbeiten: Wie kön-

nen wir das Studium fächerübergreifend und interdisziplinär aufbauen? Schließlich müssen die angehenden Ärzte später Pati-enten mit mehreren Krankheiten behan-deln. Wie schaffen wir es, den Studierenden mehr Freiräume zur persönlichen Entwick-lung zu gewähren, ohne dass die Qualität des Studiums darunter leidet? Und wie kön-nen wir die individuelle Schwerpunktbil-dung eines jeden Einzelnen fördern?

Ein Hauptkritikpunkt ist die Anwesenheits-pficht. Warum können die Studierenden nicht selbst entscheiden, zu welchen Vor-lesungen sie gehen und zu welchen nicht? Diese Kritik wurde teils zu Recht geäußert. In den großen Blöcken Innere und Chirur-gie sind wird dazu übergegangen, die An-wesenheitspficht zu lockern – erfreulicher-weise, ohne dass eine Verschlechterung in der Prüfungsleistung erkennbar war. Gera-de, wenn es um theoretische Lerninhalte geht, soll jeder Studierende selbst ent-scheiden, wann, wo und wie er lernen will. Bei bestimmten Veranstaltungen – dazu gehören v.a. die praktischen Lehrmetho-den wie Kommunikationstraining, Skills-Labs oder problemorientiertes Lernen – werden wir aber unverändert an der Anwesenheitspficht festhalten.

69 Prozent der Studierenden haben auf-grund ihres Studiums ein Hobby aufgeben müssen. Lässt sich das Medizinstudium so schwer mit privaten Aktivitäten in Einklang bringen? Gerade in Prüfungszeiten sind die Belastungsphasen natürlich hoch. Wenn man dann noch ne-ben dem Studium arbeiten muss, um Geld zu verdienen, bleibt natürlich nicht mehr viel Zeit für ein Hobby. Wir hoffen, dass wir mit der Weiterentwicklung von HeiCuMed für die Studierenden

„Mehr Freiräume zur

persönlichen Entwicklung

mehr Freiräume schaffen können. Natür-lich gibt es aber noch genügend Studieren-de, die ihr Hobby weiterhin ausüben kön-nen.

Nur 70 Prozent der Studierenden möchte später auch in Klinik oder Praxis arbei-ten, der Rest ist noch unsicher oder sieht seine Zukunft eher in Forschung, Lehre oder Industrie. Wie kann man mehr Ärzte für die direkte Krankenversorgung ge-winnen? Zwei Dinge sind entscheidend: Wir müssen unsere PJler, sobald sie in der Klinik arbeiten, als Kollegen ansehen und ihnen ein positives Vorbild sein. Ge-rade solche Vorbilder wünschen sich die Studierenden im Studium – dies wurde bei der Umfrage deutlich. Ich glaube schon, dass man über diese Vorbildfunk-tion im PJ die Studenten auch motivieren kann, im Arztberuf zu bleiben. Ein wei-terer Punkt ist die Vereinbarkeit von Be-ruf und Familie. Hier müssen wir ganz einfach mehr auf die jungen Menschen eingehen: Welche innovativen Arbeits-zeitmodelle gibt es? Wie kann man als Frau Kinderwunsch und berufliche Karri-ere unter einen Hut bringen?

Wird es eine neue Umfrage geben? Ja, wir werden auf jeden Fall 2013 oder 2014 wie-der eine Umfrage machen. Ziel ist, die Zeit-abstände so zu setzen, dass jeder Student in seinem Studium zweimal an einer Befra-gung teilnehmen kann. Dazu werden wir den Fragebogen kontinuierlich weiter ent-wickeln und den neuen Begebenheiten an-passen.

Das Interview führte Christian Fick

>> Hintergrund

„Heidelberger Fragebogen zu Motivation und Interesse im Studium (HeiMI)“ – hinter die-sem Begriff verbirgt sich eine Umfrage unter Heidelberger Medizinstudenten, die im Win-tersemester 2009/2010 erstmals durchgeführt wurde. An der Onlineerhebung der Medizi-nischen Fakultät nahmen 569 Studierende aus allen Semestern teil – selbstverständlich freiwillig und anonym. Dies entspricht 25 Prozent aller Medizinstudenten – ein hoher An-teil meint HeiCuMed-Mitarbeiter Gerald Wibbecke, der an Konzeption und Auswertung der Umfrage maßgeblich beteiligt war. Besonders die Möglichkeit der Freitexteingabe wurde eifrig genutzt – für Wibbecke ein Zeichen, dass solche Umfragen in der Vergangen-heit zu kurz gekommen sind. Der Bogen enthielt Fragen zu Lernmotivation, Interessen, Studienwahlmotiven, Belastungen, Zufriedenheit, Kritik und Wünschen. Auch wenn die aktuelle Umfrage bereits beendet ist – die Macher von HeiMI freuen sich weiterhin auf Rückmeldungen, konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge. In zwei bis drei Jahren wird es erneut eine Umfrage geben.

Kontakt: Gerald Wibbecke, E-Mail: gerald.wibbecke@med.uni-heidelberg

Martina Kadmon engagiert sich bereits seit 1990 – so lange arbeitet die Medizinerin be-reits am Klinikum – für eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Medizinstudenten. „Professor Büchler hat mir 2001 den Vorschlag gemacht, noch intensiver auf die Lehre zu setzen“, erzählt Martina Kadmon, die anschließend ihren Master of Medical Education (MME) machte – eine Entscheidung, die die Privatdozentin und Oberärztin der Chirur-gischen Klinik bis heute nicht bereut hat. Ihre Begeisterung für die Medizin möchte sie an ihre Studenten weitergeben. Ihr Job hat für sie mehrere Facetten: Neben der „Freude zu unterrichten“ möchte sie ihre patientenorientierte Sichtweise den Studierenden ans Herz legen. Martina Kadmon ist sicher: „Ein hohes persönliches Engagement in der Lehre bringt allen etwas – den Studenten, dem Klinikum und dem Lehrenden.“

sondere die Förderung von Medizinerinnen – liegt ihr am Herzen. Bei der letzten Veranstal-tung „Ärztin Heute“ trat sie als Rednerin auf.

> Neben dem Studium müssen noch 49 Prozent aller Studierenden zusätzlich arbeiten, um Geld zu verdienen.

> Mindestens 11 Prozent der Medizinstudenten befürchten ernsthaft, das Studium nicht durchzu-halten.

> Der größte Teil der Befragten würde wieder Medizin studieren.

> Studium als Fulltime-Job: 52 Prozent der Studieren-den verbringen mehr als 40 Wochenstunden mit dem Besuch von Vorle-sungen, Lernen, Klausur-vorbereitungen etc.

> Während im ersten Studienjahr noch 68 Prozent aller Studieren-den mit den Studienbe-dingungen zufrieden sind, sind es im letzten Jahr nur noch 36 Prozent.

>> zur Person

Im vergangenen Jahr konnten Studierende der Medizinischen Fakultät in einem Fragebogen ihr Studium bewerten. Über die Ergebnisse unterhielt sich der KlinikTicker mit PD Dr. Mar-tina Kadmon, leitende HeiCuMed-Lehrbeauftragte der Chirurgie.

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