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03 2011

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KLINIKUM AKTUELL

Meist sind sie hochaufgeschossen und ha-ben einen grazilen Körperbau. Doch manch-mal verrät ihr äußeres Erscheinungsbild nicht, dass sich dahinter eine Generkran-kung verbirgt, die tödlich sein kann. Der Va-ter von Sabine Kreie (49) war nicht beson-ders groß und zudem recht kräftig. Mit 45 musste er sich einer Operation an Herzklap-pe und Hauptschlagader (Aorta) unterzie-hen. Erst als Jahre später eine zweite OP an der Aorta nötig war, kam der Verdacht auf, dass er am Marfan-Syndrom leiden könnte, der angeborenen Bindegewebe-Erkran-kung, die sich an vielen Stellen des Körpers niederschlägt. Eine dieser Stellen ist die Aorta, direkt dort, wo sie aus dem Herzen austritt. Sie kann sich hier erweitern und das Gewebe wird schwach und brüchig. Heute weiß man: Nicht nur Sabine Kreie, sondern auch ihre Söhne sowie weitere Mit-glieder des Familienkreises sind betroffen.

Doch eine niedrige Lebenserwartung ist heute kein Schicksal mehr, sofern die Dia-gnose bekannt ist. Sabine Kreie hat sich schon fast vollständig von einer Operation erholt, bei der ein Stück ihrer ausgeleierten Aorta durch einen Kunststoffschlauch er-setzt wurde. Sie ist bereits das dritte Mit-glied der Familie Kreie, das Professor Matthi-as Karck, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herzchirurgie am Universitätsklinikum Hei-

delberg, operiert hat. Denn ihre beiden Söh-ne Sebastian (24) und Marius (21), wie ihre Mutter in Norddeutschland zu Hause, waren 2008 und 2011 in Heidelberg Patienten. „Bei beiden Söhnen konnten wir die Herz-klappe erhalten. Der Mutter, die bereits frü-her schon einmal am Brustkorb operiert worden war, wurde zusätzlich eine neue Kunststoffklappe eingesetzt“, erklärt Profes-sor Karck. Das Marfan-Syndrom, an dem rund 9.000 Menschen in Deutschland lei-den, kann auch Skelett und Augen betref-fen. Die Wirbelsäule wird instabil und die Augenlinse hat keinen Halt. Sabine Kreie hat eine Stabilisierung der Wirbelsäule und den Einsatz von Kunststoffinsen hinter sich.

Prothese ersetzt Aorta

Entscheidend für die Lebenserwartung der Patienten ist jedoch oftmals die Operation an der Aorta. „Dort kann unbemerkt eine Zeitbombe ticken“, sagt Professor Karck. Die Erweiterung der Aorta lässt sich zwar oft durch Blutdruckmedikamente wie Betablo-cker hinauszögern, doch ab 5 Zentimeter Gefäßdurchmesser – normalerweise misst die Aorta rund 2,5 Zentimeter – wird zum Ersatz des brüchig gewordenen Gefäßes ge-raten. Dann droht nämlich eine Spaltung

der Gefäßwand und schließlich kann dier Aorta platzen – oft mit tödlichen Folgen. Dies kann vorsorglich durch das Einsetzen einer Gefäßprothese aus Kunststoff verhindert werden.

„Die Deutsche Marfanhilfe klärt vor allem Allgemein- und Kinderärzte über das Krank-heitsbild auf, damit die Diagnose rechtzeitig gestellt wird und die Patienten in speziellen Marfan-Zentren betreut werden“, berichtet Sabine Kreie. Einmal im Jahr suchen sie und ihre Söhne einen Kardiologen in einemMar-fan-Zentrum auf. Dazu kommen Besuche beim Orthopäden und Augenarzt.

Marfan-Zentren müssen alle erforderlichen Fachrichtungen sowie Möglichkeiten der Gendiagnostik anbieten. Im Universitäts-klinikum Heidelberg ist das Zentrum am interdisziplinären Herzzentrum von Kardi-ologen, Kinderkardiologen, Gefäßchi-rurgen und Herzchirurgen angesiedelt; im Bedarfsfall werden weitere Disziplinen hinzugezogen. Was müssen die Patienten im Alltag beachten? „Sport sollte nur in Maßen betrieben werden“, sagt Professor Karck. Diesen Rat haben Sebastian und Marius Kreie beherzigt und auch ihre Be-rufswahl auf ihre Erkrankung abgestimmt. Beide Söhne werden nicht den Holzbaube-trieb des Vaters übernehmen, sondern ar-beiten als Verwaltungsfachangestellter bzw. lassen sich in einem weniger körper-lich fordernden Fachhandwerk ausbilden.

Neues Zentrum am Klinikum

Für junge Frauen mit Marfan-Syndrom ist es wichtig, die Diagnose zu kennen, bevor sie schwanger werden. Denn bei der Ge-burt kann der Blutdruck sehr stark anstei-gen und die Aorta kann platzen; deshalb wird stets ein Kaiserschnitt vorgenommen. Sabine Kreie hatte großes Glück: Als sie ihre Söhne auf natürlichem Wege gebar, war ihre Erkrankung noch nicht bekannt; dennoch ging alles gut. Die Medizinisch-Technische Assistentin wird nun - nach ei-ner Pause der Regeneration - an ihren Ar-beitsplatz im Krankenhaus zurückkehren. „Die Prognose der Marfan-Erkrankung hat sich in den vergangenen 20 Jahren stark verbessert“, sagt Professor Karck. „Bei ei-ner guten medizinischen Betreuung kön-nen die meisten Marfan-Patienten ein nor-males Leben führen und müssen nicht mehr mit einer Einschränkung ihrer Le-benserwartung rechnen.“

Annette Tuffs

Herzchirurgen operierten drei Mitglieder

einer Familie mit Marfan-Sydrom

Rechtzeitige Herzoperation rettet Leben

e Kreie

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