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Krebszellen in Prostatatumoren und ihren Tochtergeschwülsten
tragen an ihrer Oberfläche ein Eiweiß, das im Körper sonst sehr
selten ist. Diese Eigenschaft nutzt das Team um Professor Dr. Uwe
Haberkorn, Ärztlicher Direktor der Abteilung Nuklearmedizin am
Klinikum und Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), in neu-
en Diagnose- und Therapieverfahren: Mit radioaktiven Wirk-
stoffen, die ausschließlich an dieses Eiweiß binden, wird der Tu-
mor für die Bildgebung markiert oder von innen heraus bestrahlt.
Gesundes Gewebe wird dabei geschont. Nun wollen die Wissen-
schaftler diese Verfahren, die bisher nur am Klinikum angeboten
werden, weiterentwickeln und den Einsatz bei anderen Krebser-
krankungen prüfen. Die Klaus Tschira Stiftung unterstützt sie da-
bei in den kommenden drei Jahren mit 436.500 Euro.
Grenzen zwischen Tumor
und gesundem Gewebe
besser erkennbar
Um Tumoren für die Bildgebung zu mar-
kieren, injizieren Mediziner kleinste
Mengen radioaktiver Kontrastmittel
(Radiopharmaka). Gängige Radiophar-
maka zeigen in der Regel Stoffwechsel-
veränderungen oder schnell wachsen-
des Gewebe an. Zwar trifft das auf
Tumoren zu – aber nicht nur auf diese
und nicht auf alle Tumorbereiche.
Der neue, an DKFZ und Klinikum entwi-
ckelte Wirkstoff hat eine höhere Treff-
genauigkeit: Er bindet ausschließlich an
das Eiweiß PSMA (Prostata-spezifisches
Membran-Antigen), das in Prostatakarzi-
nomen und ihren Metastasen in bis zu
zehnmal höherer Konzentration als in
gesundem Gewebe – wo es nur in sehr
geringen Mengen vorkommt – gebildet
wird. „Damit erreichen wir im Vergleich
zu den Standardverfahren einen hö-
heren Kontrast zwischen Tumor und ge-
sundem Gewebe und können nun auch
kleinere Metastasen oder Tumoren bes-
ser erkennen“, sagt Haberkorn. „Das verbessert die Therapiepla-
nung.“ Seit 2011 setzt er das neue Kontrastmittel, bestückt mit
dem wenige Stunden haltbaren radioaktiven Isotop Gallium-68,
mit Erfolg in der Krebsdiagnostik ein.
Radioaktives Medikament bestrahlt
Tumoren von innen
Darüber hinaus ist PSMA ein vielversprechendes Ziel für die Thera-
pie. Dazu wird das PSMA-bindende Radiopharmakon mit einem
etwas stärker strahlendem Element, z.B. radioaktivem Jod-131, be-
laden. Die natürliche Funktion von PSMA unterstützt die therapeu-
tische Wirkung: Das Eiweiß transportiert angelagerte Moleküle ins
Zellinnere – und mit ihnen die radiaktive Strahlung. Da nahezu
ausschließlich Krebszellen das Radiophar-
makon aufnehmen, wird nur in Tumoren
eine schädliche Strahlendosis erreicht.
„Tierversuche mit dem neuen Medikament
verliefen sehr erfolgreich“, so Haberkorn.
Seit 2011 erhalten in Heidelberg erste Pati-
enten mit fortgeschrittenem, therapiere-
sistentem Prostatakarzinom das radioak-
tive Arzneimittel.
Im Rahmen des geförderten Projektes will
das Team um Professor Haberkorn PSMA-
Radiopharmaka mit weiteren radioaktiven
Elementen herstellen. „Parallel dazu er-
forschen wir, ob sich diese Wirkstoffe z.B.
auch bei Darm-, Brust- und Hautkrebs ein-
setzen lassen“, sagt der Nuklearmedizi-
ner. Diese Tumoren bilden PSMA in ihren
Blutgefäßen.
Tina Bergmann
Mit radioaktiven Wirkstoffen
Tumoren gezielt bekämpfen
Klaus Tschira Stiftung unterstützt Forschungsprojekt
der Abteilung Nuklearmedizin
Das neue radioaktive Kontrastmittel markiert besonders Metastasen besser
als gängige Substanzen. Bei diesem Patient mit Prostatakarzinom sind in
der Positronenemissionstomographie Absiedlungen des Tumors in Schul-
terblatt, Wirbeln, Becken und Oberschenkelknochen zu erkennen.