Seite 26 - Klinikticker november Dezember

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DIE GANTRY IN BETRIEB
„Das war ein gewaltiger Stapellauf“
Im Interview: Professor Dr. Jürgen Debus und
Professor Dr. Thomas Haberer
Welche Gefühle verbinden Sie mit der In-
betriebnahme der Gantry Ende Oktober?
Prof. Debus:
Das war schon ein gewaltiger
Stapellauf. Es ist für mich wie die Geburt
eines Kindes, nur mit einer deutlich verlän-
gerten Schwangerschaft. Ein großer Dank
geht an alle Mitarbeiter des HIT, die in den
Wochen vorher Tag und Nacht geschuftet
haben, um im Zeitplan zu bleiben und an
den Klinikumsvorstand, der mit unterneh-
merischem Mut dafür gesorgt hat, dass
das HIT am Standort Heidelberg entstehen
konnte.
Prof. Haberer:
Ich bin sehr stolz auf das Er-
reichte, zumal wir ja zusammen mit der
Gesellschaft für Schwerionenforschung in
Darmstadt seit den Neunziger Jahren das
Projekt gemeinsam entwickelt haben.
Viele der Mitarbeiter von damals arbeiten
übrigens heute immer noch im HIT. Ich
denke, auch für diese ist ein Traum in Erfül-
lung gegangen. Dem Dankeschön von Prof.
Debus kann ich mich nur anschließen. Was
unsere Mitarbeiter geleistet haben, war
fantastisch.
Welcher Moment bedeutet Ihnen mehr:
1997, als unter Ihrer Leitung am GSI
Helmholtzzentrum in Darmstadt erstmals
in Europa Patienten mit Schwerionen be-
strahlt wurden, oder die Inbetriebnahme
der Gantry?
Prof. Haberer:
1997, denn damals haben wir
den weltweit ersten Patienten mit dem Ra-
sterscanverfahren, meiner Doktorarbeit, er-
folgreich bestrahlt. Die Atmosphäre an der
Bestrahlungskonsole ist für mich auch heu-
te noch intensiv spürbar, ebenso die Er-
leichterung und grenzenlose Freude. Aus
dieser Initialzündung ist das HIT entstan-
den. Die ersten drei Patienten wurden be-
reits am19. Oktober an der Gantry bestrahlt.
An welcher Erkrankung leiden die Pati-
enten und weiß man schon, ob die Be-
strahlung erfolgreich war?
Prof. Debus:
Alle drei Patienten haben ei-
nen hochgradig bösartigen Hirntumor und
wurden jeweils sechsmal bestrahlt. Bei
einem Patienten befindet sich der Tumor
zudem an einer sehr kritischen Stelle zwi-
schen den Sehnerven. Trotz Behandlung
mit Operation, Chemo- und konventio-
neller Strahlentherapie ist die Prognose
schlecht. Von der Bestrahlung mit Schwer-
ionen erhoffen wir uns, das Wachstum des
Tumors zu verlangsamen. Da die Patienten
seit dem Zeitpunkt ihrer Bestrahlung noch
kein Kontroll-MRT hatten, können wir noch
nicht sagen, ob und wie die Therapie ange-
schlagen hat.
Professor Dr. Jürgen Debus (li.), Ärztlicher Direktor der Klinik für Ra-
dioonkologie und Strahlentherapie und medizinischer Leiter des
Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrums HIT, und Professor Dr.
Thomas Haberer, technischer Leiter des HIT.
>> Die Gantry
Die im Oktober in Betrieb genommene
Gantry ist eine gigantische Stahlkonstruk-
tion von 25 Metern Länge, 13 Meter Durch-
messer und 670 Tonnen Gewicht und er-
höht die Anzahl der Bestrahlungsplätze im
HIT auf drei. Sie ist um 360 Grad um den
Patienten herum drehbar, so dass auch Tu-
moren im menschlichen Körper bestrahlt
werden können, die sonst nur sehr schwer
oder kaum zu erreichen sind.
Die Gantry arbeitet sehr präzise: Der Strahl
erreicht den Patienten mit bis zu drei Vier-
teln der Lichtgeschwindigkeit, kann bis zu
30 Zentimeter ins Gewebe eindringen und
weicht dennoch höchstens einen Millime-
ter vom Ziel ab. Die drehbare Strahlfüh-
rung des HIT wurde von den Mitarbeitern
des Helmholtz-Zentrums Gesellschaft für
Schwerionenforschung GSI entwickelt und
von der Firma MT Aerospace gebaut.