Seite 27 - Klinikticker november Dezember

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Aber Sie hoffen es?
Prof. Haberer:
Natürlich. Bei der konventi-
onellen Bestrahlung kommen Gamma-
oder Röntgenstrahlen zum Einsatz, die auf
ihrem Weg zum Tumor einen Großteil ihrer
Wirkung ins umliegende Gewebe abgeben,
also immer schwächer werden. Im HIT
kommen aber Schwerionen – das sind po-
sitiv geladene Ionen – zum Einsatz, die
extrem beschleunigt und dann zielgerich-
tet Richtung Tumor geschossen werden.
Erst dort entfaltet der Strahl seine volle zer-
störerische Kraft. Zusätzlich zur vorteil-
haften physikalischen Dosisverteilung ist
die klinische Wirksamkeit bei gleicher Do-
sis eine höhere als bei der konventionellen
Bestrahlung mit Photonen.
Wozu braucht man für die Schwerionen-
Therapie eigentlich die Gantry? Schließ-
lich ist der drehbare Koloss aus Stahl, der
670 Tonnen schwer, 25 Meter lang und 13
Meter im Durchmesser ist, alles andere als
praktisch im Umgang.
Prof. Debus:
Die Gantry dient einzig und
alleine der Strahlführung. Sie ist um 360
Grad drehbar, so dass wir mit ihrer Hilfe
die Einstrahlrichtung des Strahls einmal
komplett um den Patienten rotieren lassen
können. Da auch der Bestrahlungstisch in
der Horizontalen beweglich ist, können wir
so auch Tumore im menschlichen Körper
bestrahlen, die sonst nur sehr schwer oder
kaum zu erreichen sind.
Und warum hat die Gantry solch gigan-
tische Ausmaße?
Prof. Haberer:
Um den Strahl in der rich-
tigen Bahn zu halten. Dazu sind riesige
Magnete notwendig, mit welchen der
Strahl gelenkt und geformt wird. In der
konventionellen Strahlentherapie mit
Photonen sind bewegliche Bestrahlungs-
quellen übrigens schon seit Jahrzehnten
sehr erfolgreich im klinischen Einsatz.
Protonen-Gantrys
sind
international
ebenfalls in Betrieb, insbesondere in den
USA. Für Schwerionen werden nun mit un-
serer Gantry weltweit erstmalig Erfah-
rungen gesammelt.
Stichwort Wirtschaftlichkeit: In Gießen/
Marburg und in Schleswig Holstein wur-
den geplante Schwerionen-Anlagen nicht
umgesetzt, da die Betreiber ein Defizitge-
schäft fürchteten. Wie ist die Lage in Hei-
delberg?
Prof. Debus:
Wir haben entsprechende
Vereinbarungen mit den Krankenkassen
und erhalten pro Bestrahlungszyklus – in
der Regel sind das 15 bis 20 Bestrahlungen
pro Patient – 19.500 Euro zzgl. eines
„Von der Ionentherapie im HIT können
voraussichtlich rund 15 Prozent
der Krebspatienten profitieren,
bei denen das Tumorwachstum mit
herkömmlicher Therapie nicht
gestoppt werden kann.“
Professor Dr. Jürgen Debus
>> Das HIT
Anschrift:
Im Neuenheimer Feld 450,
69120 Heidelberg
Medizinischer Leiter:
Prof. Dr. Jürgen Debus
Technischer Leiter:
Prof. Dr. Thomas Haberer
Baubeginn / Eröffnung:
Mai 2004 / November 2009
Gesamtkosten:
119 Millionen Euro
Bestrahlungsplätze:
zwei Horizontal-
Plätze / ein Gantry-Platz
Mitarbeiter:
70
Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapie-
zentrum HIT des Universitätsklinikums
Heidelberg ist aufgrund seiner innovativen
Technologie eine weltweit einzigartige
Therapieanlage zur Behandlung von Tumo-
ren. Das HIT ist die europaweit erste in ein
Klinikum integrierte Therapieanlage, an der
mit Protonen und Schwerionen bestrahlt
wird (siehe auch > eingesetzte Strahlung).
Weltweit ist das HIT die erste Ionentherapie-
Anlage mit intensitätsmoduliertem Raster-
scan-Verfahren, dem weltweit präzisesten
Bestrahlungsverfahren. Mit Hilfe der Strah-
lung können auch schwer zugängliche Tumo-
ren ohne Schädigung des Nachbargewebes
bestrahlt werden. Das HIT wurde im Novem-
ber 2009 in Betrieb genommen; seitdem
wurden mehr als 1.200 Patienten behandelt
und mehrere klinische Studien begonnen.
>> Fortsetzung auf Seite 30