Seite 26-27 - KLINIKTICKER 01

Basic HTML-Version

26
Titelthema
Titelthema
27
Ich glaube, wir haben das gebraucht, nach dem ganzen
Stress, wieder albern zu sein. Malu wurde dann ziem-
lich schnell entlassen. Tina* kam auf mein Zimmer.
Auch sie hatte ein Spenderherz bekommen. Das hat mich
dann schon beschäftigt, als ich sah, wie schnell auch sie
wieder auf die Beine kam und ging. Ich blieb.
Appelhoff:
An der Ein- und Austrittsstelle der Schläu-
che des „BerlinHeart“ bilden sich gernKeime. Das sehen
wir immer wieder. Gefährlich wird das aber erst, wenn
sie die Schläuche hinauf in Richtung Herz wandern.
Thomas:
Ich begann, mich mit dem „Berlin Heart“ zu
beschäftigen, dennmir war klar, wennEllen nachHause
kommt, übernehme ich auchVerantwortung. Ichmachte
mir Gedanken darüber, was zu tun ist, wenn das Gerät
ausfällt, und stellte fest, dass so ein „Berlin Heart“ im
Grunde wie eine große Luftpumpe funktioniert. Es wird
mit Strom oder Akkus betrieben, aber für den Notfall ist
sogar eine Handpumpe dabei. Trotzdem musste ich pla-
nen, dass immer jemand da ist, der diese Handpumpe
dann auch bedienen kann. Ich kaufte im Baumarkt eine
Funk­klingel, die ich später an dem „Berlin Heart“ an-
brachte. So hätte Ellen nur auf den Knopf drücken
brauchen, und bei den Nachbarn wäre ein Alarm losge-
gangen.
Dr. Raake:
Normalerweise können wir Patienten mit
„Berlin Heart“ nicht entlassen. Wir haben hier Kardio-
techniker, die sofort zur Stelle sind, wenn Probleme mit
dem Gerät auftauchen. Es waren besondere Bedingun-
gen, denn beide, Ellen und Thomas, sind Ingenieure und
hatten sich mit demGerät vertraut gemacht.
Hubert Häfner, stellvertretender Leiter Station 7
der Chirurgie:
Mit der bevorstehenden Entlassung, mit Weihnachten,
hat sich Ellen lange beschäftigt. Das haben wir gemerkt.
Sie freute sich sehr, wieder mit ihrem Mann und den
Kindern zusammen zu sein. Wir mussten den Entlas-
sungstermin mehrmals verschieben, und das hat sie
jedesmal frustriert.
Dr. Preusch:
Am 3. November entließen wir Ellen. Sie
kam in die Reha.
Anna und Leonie,* die Kinder von Ellen und Thomas:
Und dann hat jemand angerufen, dass die Mama wieder
nach Hause kommt. Und als sie nach Hause kam, hatte
sie das „Klickklack“ dabei. Das haben wir so genannt,
weil es immer so machte: Klick, klack, klick, klack. Und
ab und zu hat es auch gepiepst. Dann hat Mama auf den
Knopf gedrückt und den Akku frisch gemacht.
Thomas:
Ellen war inzwischen wieder so fit, dass sie
mit demGerät allein zurechtkam. Auch die Treppe hoch
in den ersten Stock rollte sie es selbst.
Die Kinder:
Erst war die Mama da, und dann kam auch
noch der Weihnachtsbaum. Wir bekamen ferngesteu-
erte Autos, und es gab ein ganz leckeres Essen. Wir
haben auch bei der Mama geschlafen, das Klickklack
stand auf der einen Seite vom Bett, und wir haben uns
auf der anderen Seite an sie gekuschelt. Das Klickklack
hat uns nur am Anfang gestört, weil man das immer
gehört hat. Aber es war wie eine Uhr, immer gleich. Und
irgendwann sind wir dann trotzdem eingeschlafen. Weih­
nachten war richtig schön.
Ellen:
Ich hatte am Computer gesessen, hatte erst nur
ein leichtes Drücken verspürt. Ich dachte, ich hätte
mich übernommen und müsste mich nur ein wenig aus-
ruhen, legtemich aufs Sofa. Die Schmerzenwurden aber
rasend schlimmer.
Ruocco:
Eineswusste ich sofort, dasHerz konnte es nicht
sein, denn das war aus Metall und Plastik und stand da­
neben. Eine Entzündung, dachte ich. Gleich darauf kam
der Notarzt, er urteilte genauso. Wir sprachen Ellen und
ihremMannMut zu, sagten, dass es gleich losginge, dass
Ellen bald von dem Gerät befreit würde und nun ein
neues Herz bekäme. So redeten wir, die beiden Kinder
waren ja auch noch wach, und ich sah, dass sie sich sorg-
ten. Also versuchten wir Optimismus zu vermitteln.
Thomas:
Schwer zubeschreiben, wie enttäuscht ichmich
fühlte, dass Ellen nun wieder ins Krankenhaus musste
und die Kinder und ich ohne sie bleiben würden.
Ruocco:
Ellen konnte das Rettungsfahrzeug selbst
besteigen, die Liege brauchten wir nicht. Wir nahmen
einen Ersatzakku für das „Berlin Heart“ mit. Ich habe
mich schon gefragt, was machen wir, wenn die Technik
versagt? Ein organisches Herz kann ich reanimieren, da
weiß ich, wie das geht - aber bei einer Maschine?
Thomas:
Als Ellen dann fort war, konnten die Kinder
natürlich nicht einschlafen. Der ungeplante und plötzli-
che Abschied hatte sie überrumpelt. Sie krabbelten zu
mir ins Bett, und dort lagen wir dann, alle drei wach.
Ruocco:
Wir kamen bis kurz vor Bruchsal. Dann war
Schluss. Es tat einen Schlag. Das Getriebe, der Antrieb
war weg. Wir rollten langsam aus, gerade noch bis zur
nahen Raststätte.
Ellen:
Ich wunderte mich schon, was nun los ist, da
sagte einer von ihnen, dass sie einen Motorschaden hät-
ten und ein Ersatzfahrzeug käme. Ich hatte zwar hölli-
sche Schmerzen, aber mir tat in diesem Moment auch
der Sanitäter leid, der neben mir saß.
Ruocco:
Ich funkteunsereLeitstelle anundorderte einen
Ersatzwagen mit Sondersignal. Wir waren bis dahin ja
auch mit Blaulicht unterwegs gewesen. Ich sprach mit
Ellen, entschuldigte mich, erklärte ihr die Situation. Da
wir nahe bei Bruchsal waren, hat es sicher weniger als
zehn Minuten gedauert, bis das Ersatzfahrzeug eintraf.
Ellen wurde von den Kollegen übernommen und brauste
weiter. Wir winkten.
Tjalko Ruocco, Rettungsassistent, Deutsches Rotes
Kreuz, stationiert in Ettlingen:
Unsere Wache ist mit zwei Fahrzeugen besetzt. Eines
rund um die Uhr, in drei Schichten, das andere von acht
bis 17 Uhr. Am 17. Januar 2012 hatten wir Spätschicht,
um22Uhr hätte sie enden sollen.Wir bekommen unsere
Einsätze per SMS direkt auf das Display unseres Ein-
satzwagens, und kurz vor 20 Uhr erschien dort der Code
33 - das steht für alle Herz-Kreislauf-Probleme, dann
Name, Straße und der Zusatz „Künstliches Herz“. Der
Notarzt wurde parallel informiert. Da wir aber mit Son-
dersignal nur knapp sechs Minuten bis zu Ellens Haus
brauchten, warenwir etwa zweiMinuten vor ihmda. Ich
klingelte, und Thomas öffnete die Tür. Er und Ellen
wirkten ruhig.
Tjalko Ruocco,
Rettungsassistent
Hubert Häfner,
stellvertretender
Leiter Station 7 der
Chirurgie
Ellens Kinder,
vertreten durch ihre
Plüschtiere