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Der Reformstudiengang HeiCuMed, das wegweisende Heidelberger Curriculum Medicinale, feierte 2011
zehnjähriges Jubiläum. Studiendekan Professor Dr. Franz Resch, Ärztlicher Direktor der Universitäts-
klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, über Vorbilder, Selbstfürsorge und die erfolgreiche
Synthese von Klinik, Forschung und Lehre.
„Die Studierenden sind das,
was uns auszeichnet“
Was soll ein guter Arzt können?
Prof. Dr. Franz Resch:
Erst einmal sollte er natür-
lich den neuesten wissenschaftlichen Kenntnis-
stand und alle technischen Fertigkeiten besitzen,
um Patienten behandeln zu können. Aber er sollte
auch in der Lage sein, sich in sie hineinzufühlen,
die Tragik, das Leiden, die Auseinandersetzung
mit Lebensplänen und dem Tod zu erkennen und
den Patienten gegenüber eine menschliche Hal-
tung zu entwickeln. Das Medizinstudium ist viel
mehr als naturwissenschaftliche Kenntnisver-
mittlung. Die Geistes- und Sozialwissenschaften
sind ebenso grundlegend, und vor allem muss die
menschliche Seite berücksichtigt werden.
Heidelberg ist als Studienstandort sehr beliebt.
Sucht die Fakultät die richtigen Bewerber für
Medizinstudium und Arztberuf aus?
Das glaube ich. Wir haben in Heidelberg mit einem
besonderen Auswahlverfahren dafür gesorgt,
dass auch Abiturienten mit einer Note bis 2,3
noch eine Chance haben, wenn sie in anderen Kri-
terien besonders gut sind. So prüft der Mediziner-
test z.B. kreatives Denken und problemlösendes
Verhalten, aber auch persönliches Engagement
im Rahmen einer entsprechenden Vorausbildung
oder ein Preis im musischen Bereich fließen ein.
Wie können die jungen Menschen mit den hohen
Anforderungen eines Medizinstudiums umgehen,
mit Stress und Konkurrenz?
Die Studierenden sind in der Regel sehr belast-
bar. Die, die z.B. Ängste vor Prüfungen entwi-
ckeln, müssen wir rechtzeitig erkennen und ih-
nen z.B. Hilfe in der Studienberatung anbieten.
Die meisten Studierenden sind nicht primär auf
Konkurrenz aus und unser Studium ist auch so
konzipiert, dass Kooperation eine wichtige Rolle
spielt. Zukünftige Ärzte müssen immer in fächer-
übergreifenden Teams für den Patienten arbeiten.
Ein weiteres ganz zentrales Thema ist die Selbst-
fürsorge. Die jungen Menschen müssen Selbstfür-
sorge lernen, dürfen sich nicht völlig verausgaben
und etwa in ein Arbeitsloch, Depressivität und
totale Erschöpfung fallen. Gerade Menschen
in helfenden Berufen müssen ein Stück Resi-
lienz – also Toleranz – gegenüber Stressfak-
toren entwickeln. Sie haben mit Krebskranken,
sterbenden Kindern usw. zu tun. Zum Selbstfür-
sorgeaspekt gehören Kooperation, Kreativität,
Nebenwelten. Man muss zwischendurch auch mal
etwas anderes machen. Hier haben wir mit dem
unterrichtsfreien Dienstagnachmittag einen Rah-
men geschaffen; die Angebote sind jedoch noch
ausbaufähig.
Wie schaut es mit der Vorbildfunktion der
Lehrenden aus?
Die Vorbildwirkung darf man nicht unterschätzen.
Ein gestresster, unzufriedener, in der Patienten-
arbeit, Verwaltung, Forschung und Lehre zerris-
sener Professor wäre ein schlechtes Vorbild. Wenn
man sich in unserer Kollegenschaft umschaut,
haben wir hier zahlreiche Vorbilder, die deutlich
machen, dass man auch in der Vielfalt der Auf-
gaben trotzdem zufrieden sein kann. Sehr in-
teressante Untersuchungen zeigen besondere
Zufriedenheit bei den Menschen, die „high stress
good copers“ sind: Sie können mit viel Belastung
gut umgehen, erleben Stress nicht als widerwär-
tig, sondern als Herausforderung. Auch unsere
besten Studierenden sind oft solche Menschen,
die zusätzlich zum Studium noch Interessen
verfolgen. Ich denke, wer Universitätslehrer
werden will, braucht in seinem Leben solch eine
breitere Basis.