Seite 22-23 - 130807-master

Basic HTML-Version

22
Top Thema
Top Thema
23
Alle Neugeborenen unter
einem Dach vereint
Kinder- und Frauenklinik bilden eines der modernsten Mutter-Kind-Zentren in Europa
1
000Gramm– diesewichtigeHürde habenLaurin
und Matthes gerade noch rechtzeitig vor dem
Umzug überschritten. Die beiden Frühchen, in
der 25. und 26. Schwangerschaftswoche zur Welt ge­
kommen, gehören zu den ersten Patienten, die am
frühenMorgendes28. Juni vonder altenFrauenklinik
in Bergheim in das neue Gebäude der Frauen- und
Hautklinik ins Neuenheimer Feld ziehen.
Bis es soweit ist, herrscht in der Voßstraße 9 inBergheim
allerdings noch geschäftiges Treiben: Überall werden
Kisten und medizinische Geräte verladen, Schwestern
begleiten Patientinnen zumTaxi oder Krankentransport,
Sekretärinnen suchen die letzten wichtigen Utensilien
für den Neubeginn im Neuenheimer Feld. Und auch im
zweiten Stock vor den Kreißsälen und auf der Früh­
geborenen-Intensiv-Pflegestation (FIPS) – hier werden
Früh­geborene nach höchsten Standards medizinisch
versorgt – überwiegt Betriebsamkeit. In bunten Decken
und Tüchern liegen die kleinen Patienten, darunter
auch Laurin und Matthes, in Inkubatoren, großen Glas­
kästen, die vonMonitoren und Geräten umgeben sind.
Doch die Stimmung ist entspannt, keine Hektik ist zu
spüren. Es wird leise geredet, während jeder seiner Auf­
gabe nachgeht. „Eigentlich sollte er in der neuen Frauen­
klinik zur Welt kommen“, sagt Tina Arras-Probst,
Mutter des kleinen Laurin. „Aber dann kam alles ganz
anders“. Sie steht am Bettchen ihres Sohnes und strei­
chelt seine Beine, hält seine Hand. Die Frühchen sind
nicht isoliert von ihren Eltern; der enge Kontakt mit
Berührungen und Zusprache ist ausdrücklich er-
wünscht, um eine persönliche Bindung zwischen
Eltern und Kind herzustellen. „Intensivmedizin soll
unterstützen und nicht schaden“ sagt Professor Dr.
Johannes Pöschl, Ärztlicher Direktor der Neonatologie.
Der neue Standort soll daher noch mehr Ruhe und eine
optimale Versorgung der Frühgeborenen bieten. Dazu
gehört auch, dieUmgebung andieBedürfnisseder kleinen
Patienten und deren Eltern anzupassen. Von Klinik­
atmosphäremit grünenLinoleumböden und demGeruch
von Desinfektionsmitteln ist in den neuen Räumen der
FIPS nichts zu spüren. Weite, geräumige Zimmer, viel
Licht und eine bunte Einrichtung bieten eine angenehme
Umgebung für die neuen Patienten.
Die zehn Bettchen der FIPS sind nun nicht mehr alle in
einem Raum untergebracht, sondern werden auf drei
Zimmer verteilt. Neben jedemInkubator steht ein großer
Liegestuhl für die Eltern; dort können sie mit ihrem
Kind in ganz ruhiger Atmosphäre „Känguruhen“. Diese
Art des persönlichen Eltern-Kind Kontaktes hat sich in
den letzten Jahren entwickelt: Das Kind liegt dabei nur
Laurin und Matthes sind jetzt in der 30. und 31. Woche –
wie diemeisten Frühgeborenen sind sie zwar körperlich
gesund, haben aber noch viel Entwicklungsschritte zu
meistern. Mit der „ entwicklungsfördernde familienzen­
trierte individuelle Betreuung“ (EFIB) hat das Zentrum
für Kinder- und Jugendmedizin des Heidelberger Uni­
versitätsklinikum ein neues Konzept für die Förderung
von Neugeborenen entwickelt. Die EFBI bringt Medizi­
nische Versorgung und Familien zusammen. Früh- und
Neugeborenenwerdendabei individuell undmitmöglichst
viel Unterstützung durch und für die Familie gefördert.
Der Umzug der Frauenklinik und der FIPS ins Neuen­
heimer Feld vereint nun alle Abteilungen an einem
Stand­ort. Jeder Bereich bleibt zwar selbstständig, doch
zusammen bilden sie eines der modernsten Mutter-
Kind-Zentren Europas. Die Frauenklinik ist jetzt direkt
mit der Kinderklinik verbunden: nur eine Durchgangs­
tür trennt Kreißsaal, Frühgeborenen-Intensivpf lege,
Neonatologie und schließlich Intensivstation mit dem
Herzkatheterlabor der Kinderkardiologie. In jedem
möglichen Fall können die kleinen und großen Patien­
ten nun optimal und ohne Umwege versorgt werden.
„Wirmüssen künftig Familien nicht mehr trennen, Früh-
undNeugeborene nachOperationen nichtmehr transpor­
tieren“, sagt Prof. Dr. Johannes Pöschl. Hinzu kommt,
dass Kinder mit angeborenen Herzfehler nun direkt in
der neuen Klinik operiert werden können; längere
Transporte entfallen durch die Zusammenlegung aller
Bereiche auf einem Flur. Und auch die Pflege kann auf­
grund der räumlichenNähe optimal zusammenarbeiten.
„Viele werden die alte Frauenklinik schon vermissen“,
sagt eine Schwester. „Aber es ist auch toll hier – alles
direkt Tür an Tür.“ 
–Laura Heyer
in einer Windel auf dem nackten Oberkörper von Vater
oder Mutter – durch den Körperkontakt entsteht eine
starke Bindung zwischen Eltern und Kind. Genauso
wichtig wie Kontaktpersonen sind auch regelmäßige
Abläufe im Alltag – Besuche gehören ebenso dazu wie
das Einhalten des Tag-Nacht Rhythmus.
Doch nicht nur das – an der Tür der Station klebt ein
Schild aus bunter Pappe: „Herzlich Willkommen, Eure
Neo´s“ steht dort ingroßenBuchstaben.Manmerkt sofort
die persönliche Beziehung, die zwischen Eltern, Pflege­
rinnen und Ärzten herrscht; viele Wochen der gemein­
samen Sorgen undÄngste, aber auchFreuden über jeden
neuen Fortschritt schweißen zusammen. „Manchmal
sitzt man zu Hause auf der Couch und weint, weil man
sein Kind nicht bei sich haben kann – aber man wächst
mit der Situation“, sagt Tina Arras-Probst, „und jeden
Tag gibt es Fortschritte!“
„Intensivmedizin soll unterstützen
und nicht schaden.“
Professor Dr. Johannes Pöschl
Auf der Frühgebore-
nen-Intensiv-Pflege-
station (FIPS) werden
Frühgeborene wie der
kleine Matthes, der in
der 26. Schwanger-
schaftswoche zur Welt
kam, nach höchsten
Standards von Ärzten
und Pflegekräften
medizinisch versorgt
Professor Dr.
Johannes Pöschl,
Ärztlicher Direktor
der Neonatologie, freut
sich: Der Umzug der
Frauenklinik und der
FIPS ins Neuenheimer
Feld vereint nun alle
Abteilungen an einem
Standort
Mit dem Umzug der Kinderklinik 2008 – dort befinden
sich die Intensivstation und das Herzkatheterlabor –
und der Angliederung der Neonatologie an den ersten
Bauabschnitt der neuen Frauen- und Hautklinik von
2011 konnte das Konzept auch räumlich umgesetzt wer­
den. Es liegen nicht nur alle Abteilungen auf einem
Gang, sondern es wurden auch neue Übernachtungs­
möglichkeiten für Eltern geschaffen, um die Familien
nicht zu trennen.