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MENSCHEN IM KLINKUM

Ihre braunen Augen strahlen Wärme und Zuversicht aus. Trost und Fürsorge. Wenn Shiba Abdulhamid ihre Patienten ansieht, ist deren Angst vor dem Zahnarzt schnell verfogen. Shiba hilft Ihnen, sich wohl zu fühlen und möglichst gelassen zu bleiben. Denn dann klappt es am besten mit der Zahnbehandlung. Damit alles reibungslos und schnell geht, steht sie den Ärzten mit den Instrumenten in der Hand stets auf-merksam und hilfreich zur Seite.

Shiba Abdulhamid ist Auszubildende in der Mund-, Zahn- und Kieferklinik. In der

„konservierenden Abteilung“ hat sie sich schon bestens bewährt. Und sie kann noch mehr: Da das Klinikum viele auslän-dische Patienten behandelt, hilft Shiba Ab-dulhamid auch, sprachliche Hürden zu überwinden. Denn Shiba kommt aus dem Irak und spricht Arabisch, Deutsch und Eng-lisch. „Ich möchte so vielen Leuten dafür Danke sagen, dass ich hier ausgebildet wer-de“, sagt die 21-Jährige. Ihr Weg zum Job war alles andere als geradlinig. Erst vor acht Jahren kam sie als Flüchtling mit ihrer Fami-lie aus dem Irak nach Deutschland; zu-nächst nach Karlsruhe, dann nach Heidel-

berg. 13 Jahre alt war sie damals, hin- und hergerissen zwischen der Angst, angesichts der politischen Unruhen im Irak nicht blei-ben zu können, und der Zuversicht, dass es woanders besser, sicherer sein werde.

An der Heiligenbergschule in Heidelberg musste sie ein Jahr lang nur Deutsch ler-nen, danach entschied ein Test in Deutsch und Mathematik über ihre schulische Zu-kunft: Shiba hatte das Zeug fürs Gymnasi-um, sie besuchte den A-Zug an der Interna-tionalen Gesamtschule Heidelberg (IGH) und machte 2009 das Abitur. „Die Schul-zeit war toll. Meine Mathematik-Lehrerin Vera Rausch schenkte mir das Buch ‚Eine Hand voller Sterne’ von Rafk Schami, durch das ich immer besser in Deutsch wurde. Sie war meine beste Lehrerin. Sie war sogar in ihrer Freizeit für mich da und hat mir geholfen. Ich habe immer noch sehr guten Kontakt zu ihr, sie ist meine Freundin“, sagt Shiba.

Aber dann, nach dem Abitur, war erst mal Frust angesagt. Als Ausländerin war es schwierig, einen Ausbildungsplatz zu fn-den. Das Jobcenter der Agentur für Arbeit verwies an die Heidelberger Dienste gGmbH, die Menschen in schwierigen Le-benslagen unterstützen und mit ausbilden-den Unternehmen kooperieren. So auch mit dem Universitätsklinikum.

„Wer, wenn nicht wir“, sagt Ulla Schubert, Leitende Zahnarzthelferin in der MKG-Kli-nik, zu dieser einmaligen Chance, einem jungen Menschen zu helfen. „Von den Be-werbungsunterlagen war ich sofort sehr

Ausbildung öffnete

ihr die Türen

Shiba Abdulhamid floh mit 13 Jahren aus dem Irak. Jetzt lernt sie am Klinikum Zahnarzthelferin.

Ich möchte so vielen Leuten dafür Danke sagen, dass ich hier ausgebildet werde

Wann hatten Sie den Eindruck, richtig in Deutschland angekom-men zu sein?

Nach drei Jahren. Ich konnte einigermaßen Deutsch sprechen, hat-te Freunde und Lehrer, die mich unterstützten und habe seit dem einfach das schöne Gefühl, dazuzugehören.

Haben Sie Heimweh?

Immer wieder mal. Aber Deutschland ist längst zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich komme aus Khaneqin, einer Stadt im Nord-osten des Iraks an der Grenze zum Iran. Bagdad ist nicht weit weg. Früher habe ich oft überlegt, wieder zurückzugehen, aber ich habe jetzt hier meine Freunde, meinen Lebensmittelpunkt und meine Ausbildung. Vor kurzem haben wir einen Betriebsausfug nach Saarbrücken gemacht. Das war toll. Reisen ist auch mein Hobby. Ich war schon in vielen deutschen Städten. Heidelberg ist sehr schön, aber auch München und Konstanz am Bodensee gefallen mir gut. Natürlich auch Berlin und Hamburg ...

Ist die Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten eine Notlösung?

Auf keinen Fall! Seit meinem 12. Lebensjahr möchte ich Zahnärztin werden. Also schon damals im Irak. Die Ausbildung in der Mund-, Zahn- und Kieferklinik ist für mich nach dem Abitur ein weiterer Schritt in diese Richtung. Ich bin jetzt wegen des Abiturs schon im zweiten von drei Lehrjahren. Nach der konservierenden Abteilung muss ich noch in die Kieferorthopädie, zahnärztliche Prothetik

und die Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie. Ich fnde das alles sehr interessant und sehe das als ganz große Chance, weiterzu-kommen. Nach dem Abschluss dieser Ausbildung möchte ich auf jeden Fall Zahnmedizin studieren.

Ist Migration ein Thema im Klinikum?

Manchmal. In der Mund-, Zahn- und Kieferklinik arbeiten auch viele Zahnärzte mit Migrationshintergrund. Wir arbeiten hier so international, da sind alle ganz offen. Aber, mal ganz ehrlich: Ohne diese vielen bürokratischen Hürden wäre es für uns ein-facher, und wir wären schneller integriert.

Was sollte für Migranten besser werden?

Ich bin ehrenamtlich Mitglied im Ausländer- und Migrationsrat der Stadt Heidelberg und engagiere mich in der Kommission für Soziales, Gesundheit und Flüchtlinge sowie in der Kommission Chancengleichheit und Partizipation. Wir treffen uns regelmäßig mit den Flüchtlingen, sprechen über deren Probleme und geben Tipps, wie Deutschland auch für sie zu einem neuen, liebens-werten Zuhause werden kann. Vorurteile oder Vorbehalte auf beiden Seiten müssen abgebaut werden. Weniger – und vor allem weniger komplizierte – Bürokratie wäre wirklich gut, das kann man nicht oft genug sagen. Ich bin dem Klinikum so dank-bar für diese Ausbildung. Es wäre schön, wenn noch mehr Be-triebe den Menschen aus einem anderen, fremden Land eine solche Chance geben würden. Carmen Oesterreich

angetan und bat zum Vorstellungsge-spräch. Ich war begeistert, in welch kurzer Zeit Frau Abdulhamid so viel erreichen konnte. Eigentlich kam die Bewerbung im August viel zu spät, aber ich fand, so ein Werdegang sollte belohnt werden.“ Schon einen Monat später, am 1. Septem-ber 2010, hat Shiba ihre Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten be-gonnen. „Als im März 2011 ein Ausbil-

dungsplatz überraschend frei wurde, konnten wir sie zum 1. April 2011 als regu-läre Auszubildende übernehmen. Unter-stützung ist nicht mehr nötig. Sie macht das jetzt alles alleine. Man musste ihr nur die Türen öffnen. Das ist sozusagen das Happy End dieser Förderung“, sagt Ulla Schubert augenzwinkernd.

Carmen Oesterreich

Fünf Fragen an…

Shiba Abdulhamid,

Auszubildende in der Mund-, Zahn- und Kieferklinik

ahnärztin Nihad El Sayed e Patientin. Foto: car

Nach ihrer Ausbildu te die Irakerin Zah studieren. Foto: car

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