Komplementsystem
Das Komplementsystem ist ein wesentlicher Bestandteil im Netzwerk der körpereigenen Immunabwehr. Es besteht aus einer komplexen Kaskade von mehr als 20 verschiedenen Komponenten und Regulatoren. Zu seinen Hauptaufgaben zählt die direkte Zerstörung von Zellen und Erregern, die Opsonierung von Fremdpartikeln als Vorbedingung zu deren Phagozytose und die Aktivierung von Abwehrzellen des Immunsystems. Seine Leistungen sind permanent und sofort verfügbar. Dem System kommen somit besonders in der Frühphase einer Infektion, aber auch als Mediatorsystem im Bereich der akuten und chronischen Entzündungsreaktion, wichtige Aufgaben zu.
Das Komplementsystem gehört wie das Gerinnungs-, Fibrinolyse- und Kininogen-Kinin-System zu den enzymatisch katalysierten Proteinkaskadensystemen. Die Kaskadenreaktionen des Komplementsystems werden in einen klassischen und einen alternativen Weg der Aktivierung eingeteilt. Daneben wurde erst vor einigen Jahren ein dritter Weg der Komplementaktivierung, der so genannte Lektin-Weg, beschrieben. Alle drei Wege der Komplementaktivierung leiten über die Bildung von sogenannten Konvertasen (C3 und C5 umwandelnde Enzymkomplexe), welche die Grundlage für die weiteren Reaktionsschritte darstellen, zu einer gemeinsamen Endstrecke, dem Membranangriffskomplex (C5b-9) über. Dieser führt zu einer direkten Schädigung der Zielzelle. Die Komplementaktivierung unterliegt einem fein abgestimmten Kontrollmechanismus, der eine kontinuíerliche oder überschießende Aktivierung verhindert.
Als eins der stärksten Mediatorsysteme der Entzündungsreaktion ist es aber auch an der Pathophysiologie verschiedener Erkrankungen entscheidend beteiligt (siehe Tabelle 1. Erkrankungen mit gesicherter Komplementbeteiligung)
Indikationen und Diagnostik des Komplementsystems
Indikationen zur Komplementdiagnostik sind:
- Die Abklärung von Komplementdefekten
- Der Nachweis einer Aktivierung des Systems
- Die Überprüfung einer ausreichenden Regulation
Komplementdefekte können primär (heriditär) oder sekundär (erworben) sein. Die angeborenen Fälle machen ca. 10% aller primären humoralen Immundefekte aus und werden in der Regel autosomal rezessiv vererbt. Demzufolge bleiben heterozygote Träger klinisch meist unauffällig. Sekundäre Defizienzen werden durch Komplementverbrauch, verminderte Synthese und/oder gesteigerten Katabolismus verursacht. Während ein Fehlen der Komponenten der klassischen Aktivierungssequenz (C1, C4, C2) oftmals mit Autoimmunprozessen assoziiert ist (SLE und Lupus-ähnliche Krankheitsbilder), prägen rezidivierende bakterielle Infektionen das klinische Bild bei Defekten der Komponenten C3-C8. Insbesondere bei Defizienz der späten Komponenten herrschen Infektionen mit Neisserien vor. Defekte wurden für nahezu alle Komplement- und Regulatorproteine mit Ausnahme des Faktors B beschrieben.
Verlaufsbeobachtungen der Komplementaktivierung sind notwendig zur Erkennung von Risikopatienten (z.B. nach Polytrauma, Verbrennung, Sepsis und Transplantation). Wiederholte Bestimmung von Aktivierungsprodukten erleichtert die Einschätzung immunologisch-entzündlicher Aktivität besonders bei der Kontrolle immunsuppressiver Therapie. In die umfassende Komplementdiagnostik sollten alle Komponenten und Regulatoren, sowohl bezüglich ihrer Plasmakonzentration als auch ihrer Funktion innerhalb der Kaskadenreaktion, einbezogen werden.
Die moderne Komplementdiagnostik, die sowohl einen Defekt als auch eine Aktivierung des Systems sicher erfasst, verlangt ein stufenweises Vorgehen. Folgende Parameter können dabei analysiert werden (siehe Tabelle 3 Methoden der Komplementdiagnostik).