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Übersicht

Für die gesunde Immunabwehr ist wesentlich, dass eine Balance zwischen T-Zell Aktivierung und T-Zell Suppression besteht.

Schwerpunkte unserer Forschungstätigkeit sind molekulare Mechanismen, wel­che die Aktivierung und Mobilität humaner Immunzellen steuern. Die präzise Regulation von Immunantworten ist notwendig, um einerseits Infektionen und Tumorzellen effektiv abzuwehren, andererseits aber auch um Autoimmunerkrankungen, chronische Entzündungen und Allergien zu vermeiden.

Im Mittelpunkt unseres Interesses steht die Identifizierung von (kostimulatorischen) Signalübertragungsvorgängen, die nach der Antigenerkennung auf Antigen-präsentierenden Zellen (z.B. Dendritischen Zellen) die funktionelle Immunantwort humaner T-Lymphozyten (T-Zellen) bestimmen. Insbesondere deren physiologische und pathologische Beeinflussung durch das umgebende Mikromilieu steht derzeit im Zentrum unserer Forschung. Komponenten dieser Signalwege stellen interessante Angriffspunkte für die prophylaktische oder therapeutische Feinregulation des Immunsystems (Immunmodulation) dar.

Eine primäre Aufgabe von T Lymphozyten ist es, Tumorzellen oder Infektionserreger zu erkennen und diese zu bekämpfen. Für eine effektive Immunreaktion müssen vier Dinge geschehen:

  1. Die T-Zellen müssen in den lymphatischen Organen aktiviert werden und proliferieren, d.h. sich vermehren, damit sie in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
  2. Die generierten Effektorzellen müssen die lymphatischen Organe verlassen und zum Ort des Geschehens wandern, d.h. migrieren, um in der Peripherie ihre Effektorfunktionenauszuüben. Die enorme Mobilität, die für die Ausübung dieser Funktionen notwendig ist, ist ein ganz besonderes Charakteristikum der Zellen des Immunsystems.
  3. Grundsätzlich muss die Immunreaktion beendet werden, wenn die Tumorzellen oder die akute Infektion beseitigt sind, um chronisch-entzündliche Erkrankungen zu vermeiden. Im wesentlichen geschieht dies dadurch, dass die Effektorzellen inaktiviert werden oder absterben.
  4. Im Gewebe wird die Immunantwort zusätzlich durch Faktoren der Umgebung (Mikromilieu) reguliert, um eine optimale Anpassung für den Organismus zu ermöglichen. Es gibt zum Beispiel Situationen, in denen Immunreaktionen physiologisch gering gehalten werden müssen. Auf diese Weise werden z.B. Nahrungsmittel, die über den Darm aufgenommen werden, vom Immunsystem toleriert. Das pro-oxidative Milieu im Darm spielt hierbei u. a. eine wichtige Rolle. Tumorzellen machen sich solche Mechanismen zunutze, um der Immunabwehr zu entkommen.

Für die physiologische Funktion des Immunsystems ist wesentlich, dass eine Balance zwischen T-Zell Aktivierung und T-Zell Suppression besteht (s. Abb. 1). Bei zu geringer Aktivierbarkeit der T-Zellen oder bei einer Suppression der T-Zellen (beispielsweise durch Medikamente oder Gifte) entstehen Immundefekte. Diese bewirken, dass Infektionserreger - und auch Tumorzellen -  der Immunabwehr entkommen. Werden die Zellen umgekehrt zu stark oder zu dauerhaft aktiviert, dann können chronische Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen entstehen. Dies sind Erkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigene Gewebe zerstört. Bei Organtransplantationen ist es ebenfalls die ungewollte Aktivierung des Immunsystems gegen das Spenderorgan, die zur Abstoßung des Transplantates führt. Darüber hinaus können dauerhaft vorhandene Aktivierungssignale innerhalb der T-Zellen auch zur malignen Transformation - und damit zur Entstehung von Lymphomen führen.

Weiterführende Informationen zu ausgewählten Projekten

  1. Kostimulatorische Signale der T-Zellaktivierung als Angriffspunkte für die therapeutische Induktion bzw. Durchbrechung von Toleranz
  2. Bedeutung der ektopen Expression von L-Plastin für die Migration, Invasion und Metastasierung von Tumorzellen – oder: wie Krebszellen von Immunzellen das Wandern lernen
  3. Aktivierung des spezifischen zellulären Immunsystems bei akutem Koronarsyndrom

 

A) Grundlagenforschung

Wir haben bisher unbekannte (kostimulatorische) Signalüber­tragungswege charakterisiert, die für die Aktivierung von T-Zellen essentiell sind. Fehlen diese Signale bei der Erkennung eines (Fremd-) Antigens, so kommt es zur Toleranzinduktion. Dies ist gesund, wenn es darum geht, Immunreaktionen gegen körpereigene („Selbst“-)  Antigene – und damit Autoimmunprozesse – zu vermeiden. Dementsprechend wird eine therapeutische Toleranzinduktion zur Bekämpfung von Autoimmunreaktionen und Allergien sowie zur Vermeidung der Abstoßung von Organtransplantaten angestrebt (z.B. über den Eingriff in kostimulatorische Signalwege). Toleranzinduktion ist jedoch gefährlich, wenn Infektionserreger oder Tumoren vom Immunsystem bekämpft werden müssen. Hier sollten diese kostimulatorischen Signale sogar verstärkt ausgelöst werden, um eine effiziente Immunabwehr zu ermöglichen. Unser Ziel ist daher die individuelle Analyse solcher Signalwege in Probanden/Patienten, um die Balance zwischen T-Zell Aktivierung und T-Zell Suppression gezielt prophylaktisch oder therapeutisch beeinflussen zu können (personalisierte Medizin).

Ein besonderer Fokus unserer Forschung liegt derzeit auf dem Einfluss der Redox-Regulation auf diese Funktionen des Immunsystems (zur Übersicht s. Samstag et al. 2013). Eine gezielte Beeinflussung der Redox-Balance in Immunzellen (durch Medikamente oder Nahrungsmittel) könnte neue Perspektiven zur Immunmodulation eröffnen. Dazu müssen Redox-regulierte Proteine identi­fiziert werden, die für Leukozytenfunktionen wichtig sind und als Redox-Biomarker dienen können. Die Detektion oxidativer Modifika­tionen solcher Proteine sollte es ermögli­chen, die Dosierung Redox-modifizierender Behand­lungen zu personalisieren. Daher werden wir die ursächliche Beziehung zwischen Protein Redox-Modifikationen und Immunfunktionen sowohl in vitro als auch in vivo analysieren.

B) Klinische Kooperationen

Kardiologie

In Zusammenarbeit mit der Abteilung Kardiologie des Universitätsklinikums Heidelberg untersuchen wir molekulare Mechanismen der trans­endothelialen Migration von Leuko­zyten - ein Forschungsbereich, der in jüngster Zeit für die Aufklärung der Ursa­chen der Arteriosklerose (z.B. koronare Herzkrankheit auf Grund chronisch entzündlicher Prozesse) hochinteressant geworden ist. Analysen von Immunzellen aus Patienten können einen wichtigen Beitrag zur Risikostratifizierung liefern (Konstandin et al. 2009).

Dermatologie

T-Zellaktivierung und –migration (Wanderung durch den Körper in die Haut) spielen eine wichtige Rolle bei der Kontaktallergie (z.B. Nickelallergie). Wir werden nach Möglichkeiten suchen, die fehlgesteuerte T-Zellaktivierung, die zur Zerstörung der Haut führt, zu reprogrammieren, um eine Toleranz gegenüber Kontaktallergenen auszulösen und damit eine dauerhafte Befreiung von allergischen Reaktionen zu ermöglichen.

Onkologie

Wie konnten zeigen, dass Tumorzellen von Immunzellen molekulare Prozesse der Zellwanderung übernehmen, um mit ihrer Hilfe im Körper zu metastasieren. Wird ein bestimmtes Protein (L-Plastin), das für das Wanderungsverhalten von Immunzellen wichtig ist, in Tumorzellen produziert und phosphoryliert, dann wird die Metastasierung humaner Tumorzellen verstärkt (Riplinger et al. 2014). Wir untersuchen derzeit in Kollaboration mit der Abteilung Pathologie des Universitätsklinikums Heidelberg, ob dieses Protein im Sinne einer personalisierten Medizin als neuer prognostischer Marker und Zielstruktur für innovative onkologische Therapien eingesetzt werden kann.

Zusammenfassung

Das Forschungsgebiet molekulare und zelluläre Immunologie eröffnet neue Perspektiven für medizinisch relevante Probleme der klinischen Immunologie, Infek­tionsimmunologie, Transplantationsmedizin, Onkologie, Entzündungsforschung/ Vaskuläre Medizin und Allergologie. Die Auseinandersetzung mit solchen Fragestellungen verlangt interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur-wissenschaftlern und Medizinern, sowie die Beherrschung eines umfangreichen Spektrums an innovativen Imaging-Verfahren und Methoden der Gewebekultur, Biochemie, Zellbiologie, Molekularbiologie und Immunologie. Dies ist in der Sektion Molekulare Immunologie gegeben.