Forschungsschwerpunkte
Schwerpunkt unserer wissenschaftlichen Arbeit ist die Analyse der intestinalen Immunantwort des Menschen unter homöostatischen und inflammatorischen Bedingungen. Folgende Zielsetzungen stehen dabei im Fokus unserer Projekte:
- die Aufklärung molekularer Prozesse, die der Initiation einer Entzündungsreaktion in intestinalen Immunzellen zugrunde liegen, sowie deren mögliche Fehlregulationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa);
- die Charakterisierung lokaler Effektor-Funktionen von intestinalen dendritischen Zellen bei Darmentzündungen;
- die Identifizierung milieuspezifischer Faktoren, die die Induktion des hyporesponsiven Differenzierungszustandes humaner intestinaler Immunzellen unter homöostatischen Bedingungen regulieren.
Langfristiges Ziel unserer Arbeit ist es, Einblick in die Ätiologie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) zu gewinnen und damit einen Beitrag zur Entwicklung neuartiger kausaler Therapieansätze für diese (bislang nicht heilbaren) Erkrankungen zu leisten.
Grundlagen intestinaler Immunregulation
Ein großer Anteil aller Immunzellen des menschlichen Organismus befindet sich in der Darmmukosa, der größten Grenzfläche des Körpers zur Außenwelt. Trotz der räumlichen Nähe von Fremdantigenen im Darmlumen (Microbiota, Nahrungsantigene) und Immunzellen kommt es normalerweise nicht zur Entstehung einer chronischen Entzündung. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass ein direkter Kontakt zwischen kommensalen Mikroorganismen, bzw. Nahrungsmittelantigenen und Immunzellen sowohl durch eine dichte Schleim-und Epithelzellschicht als auch durch die Sekretion bakterizider Substanzen (Defensine, Lysozym) und IgA (Immunexklusion) weitgehend verhindert wird. Zum anderen befinden sich residente Lamina propria Makrophagen (LPMO) und T Lymphozyten (LPT) in einem „hyporesponsiven“ Differenzierungszustand, der sich grundlegend von dem ihrer Vorläuferpopulationen im peripheren Blut, unterscheidet. So sind LPMO unter homöostatischen Bedingungen aufgrund niedriger Expression von Pattern Recognition Rezeptoren (TLRs /CD14), Fc- und Komplement Rezeptoren, und co-stimulatorischen Molekülen (CD54, CD80/86, CD58) (Qiao et al. 1996) kaum fähig, Bakterien zu erkennen und eine adaptive Immunantwort zu unterstützen. Darüberhinaus besitzen Lamina propria T Lymphozyten eine im Vergleich zu PBT stark verminderte Fähigkeit zur klonalen Expansion nach T-Zell-Rezeptor / CD3 Stimulation (Pirzer et al. 1990; Qiao et al. 1991). Diese ist auf einen geringen Glutathiongehalt der T Lymphozyten zurückzuführen, der durch eine verminderte Bereitstellung von Cystein durch Lamina propria Macrophagen verursacht wird (Sido et al. 2000; Sido et al. 2008).
Während ein pro-oxidatives Milieu als Grund für die geringe proliferative Kapazität von LPT entschlüsselt werden konnte, sind die molekularen Ursachen der Hyporesponsivität residenter LPMO weitgehend ungeklärt. Ebenso wenig ist bekannt, wie in Gegenwart pathogener Keime eine Immunantwort in diesen hyporesponsiven intestinalen Immunzellen ausgelöst werden kann.
Projekte
A. Identifikation molekularer Mechanismen, die an der Initiation einer Entzündungsreaktion in residenten Immunzellen des humanen Darmes beteiligt sind
Zur Untersuchung molekularer Prozesse, die die Induktion einer Entzündungsreaktion in residenten Darmimmunzellen vermitteln, wurde in unserem Labor ein humanes Organkulturmodell für intestinale Entzündungsreaktionen („Loss of the Epithelial Layer (LEL)“ Modell) charakterisiert und standardisiert (Schröder-Braunstein et al. 2014; Szikszai et al. 2015; Fig.1).
Bei diesem Modell wird von Präparaten gesunder humaner Colonmukosa die Epithelzellschicht abgelöst (Epithelzellschädigungen stellen auch bei Darmentzündungen in vivo ein frühes Ereignis dar). Infolgedessen kommt es zu einer ausgeprägten Entzündungsreaktion in residenten Immunzellen der Lamina propria und deren Emigration auf die luminale Oberfläche der Basalmembran. Globale Genexpressionsprofil-Analysen von Lamina propria Zellen in situ, die mittels Laser-Mikrodissektion gewonnen wurden, zeigen, dass die Entzündungsreaktion, wie sie im LEL Modell zu beobachten ist, viele Aspekte intestinaler Enzündungs-prozesse in vivo widerspiegelt. So konnte u.a. im LEL Modell eine Hochregulation von Entzündungsmediatoren beobachtet werden, die als Biomarker für klinische Krankheitsaktivität bei CED fungieren (Schröder-Braunstein et al. 2014 .
Für die Identifikation von Signalwegen und übergeordneten Regulatoren, die die Initiation einer intestinalen Entzündungsreaktion vermitteln, wurden Datensätze differentiell regulierter Gene im LEL Modell einer bioinformatischen Analyse unterzogen. Vorhersagen von entzündungsassoziierten Signalwegen werden derzeit experimentell validiert. Im nächsten Schritt sollen Rezeptor-Liganden Paare, die in Lamina propria Zellen exprimiert sind und relevante Signalwege aktivieren können, identifiziert und hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Aktvierung von LP Immunzellen untersucht werden.
Ein weiteres Ziel dieses Teilprojektes ist es, zu überprüfen, inwieweit initiale Entzündungsreaktionen intestinaler Immunzellen bei Patienten mit CED gestört sind. Informationen zu Dysregulationen inflammatorischer Prozesse bei CED fördern möglicherweise die Entwicklung kausaler Therapien für diese Erkrankungen.
B. Charakterisierung lokaler Funktionen von intestinalen dendritischen Zellen bei Darmentzündungen
Dendritische Zellen übernehmen bekanntermaßen eine wichtige Funktion bei der Induktion adaptiver Immunantworten. Im Kontext intestinaler Immunregulation sorgen sie für den Transport luminaler Antigene von mukosalen Oberflächen zu regionalen sekundären Lymphorganen (Peyer’s Patches, mesenteriale Lymphknoten). Dort initiieren sie nicht nur die Aktivierung und Expansion antigenspezifischer T-Zellen, sondern prägen auch deren Fähigkeit, in die Darmmukosa einzuwandern („Imprinting“). Eigene Genexpressionsanalysen von intestinalen dendritischen Zellen deuten darauf hin, dass diese Zellpopulation bei Darmentzündungen auch wichtige lokale Effektorfunktionen in der Lamina propria übernimmt. Diese funktionellen Eigenschaften werden derzeit näher charakterisiert.
C. Analyse mikro-milieuspezifischer Mechanismen, die an der Induktion des hyporesponsiven Differenzierungszustandes humaner intestinaler Immunzellen beteiligt sind
Ein potentiell wichtiger Milieufaktor der intestinalen Mukosa ist die kurzkettige Fettsäure n-Butyrate. Sie entsteht im Rahmen der Fermentation in spezifischen Bakterienspezies der kommensalen Darmflora und besitzt immunmodulatorische Eigenschaften, die auf ihre Hemmung von Histondeacetylasen (HDAC) zurückgeführt wird. Im Rahmen dieses Teilprojektes soll ein möglicher Beitrag von n-Butyrat zur Induktion des hyporesponsiven Phänotyps von LPMO untersucht werden. Aktuelle Untersuchungen in unserem Labor zeigen, dass n-Butyrat in der Lage ist, die Proteinexpression von Oberflächenrezeptoren, die angeborene Immunantworten vermitteln und auf humanen LPMO nur gering exprimiert sind, auf Monozyten (PBMO), den Vorläuferzellen von LPMO, zu hemmen. In weiteren Untersuchungen sollen nun molekulare Mechanismen der n-Butyrat vermittelten Minderung der Expression dieser Rezeptoren geklärt werden.
Zum Nachweis einer lokalen (HDAC-inhibitorischen) Aktivität von n-Butyrat auf LP Zellen in vivo soll darüber hinaus der Azetylierungsgrad von Histonen sowie der Grad der Chromatinkondensation in diesen Zellen mittels hochauflösender Mikroskopie (SIM (structured illumination microscopy)) untersucht werden.
Darüberhinaus sind wir daran interessiert, weitere molekulare Mechanismen, die an der Induktion, bzw. Aufrechterhaltung eines hyporesponsiven Zustandes in LP Immunzellen beteiligt sind, zu identifizieren.