MoreGrasp
Mit dem seit März 2015 begonnenen MoreGrasp-Projekt (www.moregrasp.eu) versucht ein europäisches Konsortium aus drei Universitäts- und zwei Firmenpartnern unter Leitung der Technischen Universität Graz die aktuellen Probleme von Greifneuroprothesen in den Griff zu bekommen.
In MoreGrasp wird ein Elektrodenarray entwickelt, bei dem eine Vielzahl von Elektroden in den Handschuh integriert wird, die situationsangepasst elektronisch zu größeren Elektrodenverbünden zusammengeschaltet werden kann. Damit hoffen die Wissenschaftler, Elektrodenfehlplatzierungen beim Anlegen und Elektrodenverschiebungen während der Anwendung dynamisch kompensieren zu können. Mittels auf Alltagsgegenstände aufklebbare Folienkraftsensoren, deren Daten von einem Low Energy Bluetooth-Modul (LE-Bluetooth) an eine Kontrollstation übertragen werden, können Greifkräfte registriert und für eine semiautonome Griffsteuerung verwendet werden. Durch Zuordnung eindeutiger IDs zu den LE-Bluetooth Einheiten kann eine automatische Umschaltung auf das für diesen Gegenstand vordefinierte, am besten geeignete Griffmuster erfolgen, sobald sich die Hand des Nutzers dem entsprechenden Gegenstand nähert. Durch zusätzliche Elektroden in Körperregionen mit erhaltener Sensibilität können einem Nutzer Rückmeldungen über die aufgebrachten Greifkräfte gegeben werden. Aus der Prothetik ist bekannt, dass diese sensible Rückmeldung einen wesentlichen Faktor zur erhöhten Nutzerakzeptanz darstellt.
Um einem Benutzer eine intuitivere Steuerung der Hand zu ermöglichen, sollen Gehirnsignale zur Erkennung der Benutzerintention in das Steuerungskonzept mit einbezogen werden. Dies geschieht mittels sogenannter Hybrid Brain-Computer Interfaces, bei denen ein auf Bewegungsvorstellungen basierendes Brain-Computer Interface (BCI) mit traditionellen Benutzerschnittstellen kombiniert wird. Damit soll auf Basis der Modulation des Elektroenzephalogramms (EEG) über den motorischen Gehirnarealen erkannt werden, ob ein Benutzer z.B. die Signale eines Schulterjoysticks zur Steuerung des Grads der Handschließung oder der Handgelenksrotation verwenden will.
Um eine hohe Alltagstauglichkeit zu erreichen werden an die Benutzeranatomie angepasste EEG-Kappen entwickelt, die auf Trockenelektroden basieren und ihre Daten mittels eines Bluetooth-Funkinterface an eine Kontrolleinheit übermitteln. Mit der Einführung von Trockenelektroden kann die Vorbereitungszeit zur Nutzung des BCI-Systems auf ein Minimum reduziert und einer der Hauptschwierigkeiten von aktuellen BCIs für Alltagsanwendungen beseitigt werden. Im Rahmen von MoreGrasp sollen erste Hinweise gewonnen werden, inwieweit eine Dekodierung von unterschiedlichen Greif- bzw. Armbewegungen mittels BCIs in Echtzeit möglich ist. Im Erfolgsfall könnte damit erstmalig die bilaterale Wiederherstellung der Greiffunktion beider Hände umgesetzt und damit ein weiterer Schritt in Richtung Normalität für die Betroffenen vollzogen werden.