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Dr. Vivek Thacker, Gruppenleiter an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg, erhält einen Life Sciences Bridge Award der Aventis Foundation, um seine weitere Forschung zu Tuberkulose zu unterstützen. Foto: Uwe Dettmar


Jedes Jahr stirbt mehr als eine Million Menschen an Tuberkulose. Bis heute gibt es keine wirksame Impfung gegen den Erreger, und auch die Therapie ist langwierig und wegen zunehmender multipler Resistenzen schwierig. Wie es dem Bakterium Mycobacterium tuberculosis gelingt, sowohl der Immunabwehr als auch der antibiotischen Behandlung zu trotzen, möchte Dr. Vivek Thacker, Gruppenleiter an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg, noch weiter aufklären. Um Thacker den Weg zu einer unbefristeten Professur zu ebnen und seine weitere Forschung zu unterstützen, verleiht ihm die Aventis Foundation einen Life Sciences Bridge Award. Dieser ist mit 100.000 Euro einer der höchstdotierten Nachwuchspreise in den Lebenswissenschaften in Deutschland.

 

Weltweit trägt jeder dritte Mensch das Tuberkulose-Bakterium in sich, meist ohne daran zu erkranken. Etwa 10,6 Millionen Menschen waren im Jahr 2022 an Tuberkulose erkrankt, schätzt die Weltgesundheitsorganisation, die meisten davon in Süd- und Südostasien sowie in Afrika. Ungefähr 1,3 Millionen Menschen starben daran. Dass sich an diesen Zahlen seit Jahrzehnten kaum etwas geändert hat, liegt vor allem an einer unzureichenden Gesundheitsversorgung und fehlenden Ressourcen: „Die Tuberkulose-Forschung hat leider zu selten Zugang zu modernsten Technologien“, sagt Dr. Vivek Thacker.

Simulation der Infektion auf einem Chip

Eine solche Technologie ist das Lung-on-a-Chip(LoC)-System. Mit einer porösen und dehnbaren Membran bietet es die Möglichkeit, den Atemvorgang in einem Lungenbläschen zu simulieren. Die Oberseite der Membran ist mit Epithelzellen beschichtet, über die Luft strömt, die Unterseite mit Endothelzellen, unter denen eine blutähnliche Flüssigkeit fließt. Mit diesem Biochip lässt sich also das Geschehen an der Grenzfläche zwischen den Lungenbläschen und den sie umgebenden Kapillaren (kleinsten Gefäßen) simulieren. Thacker gelang es, dieses am Wyss Institute der Harvard University entwickelte System für die Tuberkuloseforschung nutzbar zu machen. So konnte er die Interaktion von Tuberkulosebakterien mit den Zellen ihres Wirts während des Atmens räumlich und zeitlich nachvollziehen, also direkt die allerersten Momente einer Tuberkulose-Infektion beobachten. Dadurch konnte er zeigen, warum Tuberkulosebakterien lange Stränge bilden: Sie fesseln damit den Zellkern infizierter Makrophagen (Fresszellen des Immunsystems) und unterdrücken dadurch deren Immunantwort. So bleiben die Erreger einerseits versteckt im Körper und entziehen sich andererseits dem Zugriff von Immunsystem und Antibiotika.
Mit dem modifizierten LoC-System konnte Thacker auch die wichtige Schutzfunktion von Surfactant bestätigen, einer speziellen Substanz, die die Oberflächenspannung zwischen Luft und Lungenbläschenauskleidung herabsetzt und für eine funktionierende Atmung wichtig ist. Wie viel davon in spezialisierten Zellen der Lunge produziert wird, ist entscheidend dafür, wie gut das anfängliche Wachstum von Tuberkulose-Bakterien kontrolliert werden kann. Mangelt es an der Schutzsubstanz, wie es bei Rauchern häufig der Fall ist, sind die Lungenzellen anfälliger für Infektionen.

Von Indien über England und die USA nach Heidelberg

Die Aventis Foundation würdigt Thackers interdisziplinär weiterentwickelte Technologie und die damit gewonnenen Erkenntnisse. „Seine Forschung kann zu neuen therapeutischen Ansätzen gegen diese furchtbare Krankheit führen“, sagt Prof. Dr. Werner Müller-Esterl, Vorsitzender der Jury des Life Sciences Bridge Award. „Wir möchten ihm mit diesem Preis über die Brücke zu einer unbefristeten Professur helfen.“
Vivek Thacker wuchs in Indien auf, wo die Tuberkulose besonders häufig vorkommt. An der englischen Universität Cambridge spezialisierte er sich im Studiengang Natural Sciences Tripos auf Physik, die er am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/USA vertiefte. Zurück in England promovierte er über ein Thema aus der Biophysik und schloss sich anschließend der Tuberkulose-Forschungsgruppe von John McKinney an der École Polytechnique Fédérale in Lausanne/Schweiz an. Seit Oktober 2023 leitet der 35-Jährige eine eigene Forschungsgruppe in der Sektion Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Dort forscht Thacker in einem Hochsicherheitslabor an Tuberkulosebakterien und ist begeistert von der hochmodernen Ausstattung an der Medizinischen Fakultät Heidelberg und am Universitätsklinikum Heidelberg.

Ziel: Wirksamere Therapien gegen Tuberkulose

Nun will er genau herausfinden, nach welchen Regeln sich die Tuberkulose-Bakterien in einem Strang miteinander verknüpfen. „Wenn wir das wissen, können wir sie leichter voneinander trennen und damit besser für Antibiotika zugänglich machen.“ Dazu nutzt er modernste bildgebende Verfahren an der Universität Heidelberg. Sein Ziel ist es, dazu beizutragen, wirksamere Therapien gegen Tuberkulose zu finden.
Der Life Sciences Bridge Award der Aventis Foundation ehrt jährlich bis zu drei herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus den Lebenswissenschaften, die an einer deutschen Universität forschen. Vergeben wird der Forschungspreis seit 2019 von der Aventis Foundation, einer unabhängigen, gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Diese fördert seit 1996 Kunst und Kultur sowie Wissenschaft, Forschung und Lehre.

Heidelberg, 27 September 2024

Life Sciences Bridge Award für Dr. Vivek Thacker (uni-heidelberg.de)

Dr. Andrew Tony-Odigie forscht zum Einsatz von kommensalen Bakterien bei der Therapie von chronischen Lungeninfektionen. Foto: Mukoviszidose e.V.

Mukoviszidose-Forschung: Mit kurzkettigen Fettsäuren die Therapie mit CFTR-Modulatoren verbessern

Bonn, 29. August 2024. Mit 148.330 Euro fördert der Bundesverband Mukoviszidose e.V. ein Projekt der Arbeitsgruppe um Dr. rer. med. Andrew Tony-Odigie (Universitätsklinikum Heidelberg) zur Nutzung kommensaler (nützlicher) Bakterien und ihrer Stoffwechselprodukte für die Verbesserung der Therapie mit CFTR-Modulatoren. Die Wissenschaftler untersuchen bislang nicht bekannte Interaktionen zwischen Modulatortherapie und Kommensalen und ihre möglichen synergistischen Wechselwirkungen am Beispiel der Wirkung von kurzkettigen Fettsäuren auf Pseudomonas aeruginosa. Ziel ist es, neue Therapieoptionen für Mukoviszidose-Patienten mit chronischen Lungeninfektionen zu erschließen. (Mukoviszidose: Cystische Fibrose, CF)

Chronische Lungeninfektionen auch unter Modulatortherapie ein Problem

Die chronische Infektion der Lunge mit pathogenen (krankmachenden) Keimen ist nach wie vor ein ungelöstes Problem bei Menschen mit Mukoviszidose, auch unter erfolgreicher ETI-Therapie (Dreifachkombination aus Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor). So kann z.B. die häufig vorkommende Besiedelung mit Pseudomonas aeruginosa (PA) zu einer plötzlichen Verschlechterung der Lungenfunktion (Exazerbation) führen, die den gesamten Gesundheitszustand des Patienten belastet. Ein vielversprechender Ansatz für neue Therapieoptionen liegt in der Erforschung der wechselseitigen Beeinflussung von pathogenen und kommensalen Keimen im Lungenmikrobiom.

Im Fokus: Wechselwirkungen zwischen ETI-Therapie und Kommensalen

In Vorarbeiten konnte die Arbeitsgruppe um Andrew Tony-Odigie zeigen, dass bestimmte kurzkettige Fettsäuren (small chain fatty acids, kurz SCFA), die als Stoffwechselprodukte von einigen kommensalen Streptococcus-Arten freigesetzt werden, einen hemmenden Effekt auf Pseudomonas aeruginosa haben und dabei auch die durch PA verursachte Entzündungsreaktion im Gewebe abmildern. Darauf aufbauend untersuchen die Wissenschaftler im aktuellen Projekt, inwieweit sich eine CFTR-Modulatortherapie auf das Zusammenspiel der verschiedenen Bakterien in der Lunge auswirkt und ob es bislang nicht bekannte Interaktionen zwischen ETI-Therapie und den kommensalen Bakterien gibt, die zu einer - evtl. gegenseitigen - Wirkverstärkung führen. Am konkreten Beispiel der zuvor identifizierten kommensalen Streptococcus-Arten und der von diesen freigesetzten kurzkettigen Fettsäuren sollen die möglichen synergistischen Wechselwirkungen im Versuch überprüft werden.

Untersuchung mit probiotischem und postbiotischem CFTR-Modulator-Ansatz

Die Untersuchung der Fragestellung an Nasenepithelzellen von Menschen mit Mukoviszidose (mit mindestens einer Kopie der F508del-Mutation) wird in drei Arbeitspaketen durchgeführt: Im ersten Schritt wird in einem probiotischen CFTR-Modulator-Ansatz die Interaktion von kommensalen Bakterien und CFTR-Modulatoren analysiert. Im folgenden Arbeitspaket wird in einem postbiotischen CFTR-Modulator-Ansatz die Wechselwirkung von kurzkettigen Fettsäuren und CFTR-Modulatoren untersucht.

Ein weiteres Arbeitspaket weitet die Untersuchung aus auf die Interaktion von kommensalen Bakterien/deren Stoffwechselprodukten und CFTR-Modulatoren bei anderen, derzeit nicht behandelbaren CFTR-Mutationen. Ziel ist es zu beobachten, ob die synergistischen Wechselwirkungen, falls vorhanden, auf die CFTR-Mutationen ausgedehnt werden können, die noch nicht mit Modulatoren behandelt werden können.

Wenn sich die Hypothese der Wissenschaftler bestätigt und es synergistische Wechselwirkungen zwischen CFTR-Modulatoren und Kommensalen gibt, liegt hierin ein großes Potenzial, die Therapie von chronischen Lungeninfektionen bei Patienten mit Mukoviszidose künftig entscheidend zu verbessern.  

Die Forschungsförderung des Bundesverbands Mukoviszidose e.V.

Im Rahmen seiner Forschungsförderung unterstützt der Bundesverband Mukoviszidose e.V. ein breites Spektrum an Projekten von der medizinischen Grundlagenforschung bis hin zu klinischen Studien, um Therapieoptionen und Lebensqualität für Betroffene zu verbessern.

Weitere Informationen zur Forschungsförderung des Bundesverbands


Hintergrund-Informationen

Über Mukoviszidose

In Deutschland sind mehr als 8.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen. Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren.

Über den Bundesverband Mukoviszidose e.V.

Der Bundesverband Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose zu ermöglichen. Um die vielfältigen Aufgaben und Ziele zu erreichen, ist die gemeinnützige Patientenorganisation auf die Unterstützung engagierter Spender und Förderer angewiesen.

Pressekontakt:

Bundesverband Mukoviszidose e.V.
Carola Wetzstein
Telefon: +49 (0)228 9 87 80-22
Mobil: +49 (0)171 9582 382
E-Mail: CWetzstein(at)muko.info

https://www.muko.info/einzelansicht/mukoviszidose-forschung-mit-kurzkettigen-fettsaeuren-die-therapie-mit-cftr-modulatoren-verbessern

Prof. Dr. med. Alexander Dalpke erklärt wie die aktive Immunisierung mit mRNA-Impfstoffen funktioniert, was ihre Vorteile und Limitationen sind, warum veränderte RNA Bausteine eingesetzt werden um immun-stimulierendes Potential anzupassen und warum die mRNA in Nanopartikel verpackt wird.

Prof. Dr. med. Alexander Dalpke ist neues Mitglied der STIKO

“Die STIKO hat in der Pandemie große Leistungen erbracht. Jetzt wird sie mit vielen neuen Mitgliedern aus sehr unterschiedlichen Fachbereichen jünger und noch interdisziplinärer besetzt. Auch wissenschaftliche und praktische Spitzenkräfte bauen das neue Team auf. Auch in Zukunft werden die Impfkampagnen der Bundesregierung auf der Grundlage der STIKO-Empfehlungen beruhen. Die Unabhängigkeit der STIKO von politischer Einflussnahme hat sich bewährt und bleibt weiter bestehen.”
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/bundesgesundheitsministerium-beruft-neue-stiko-mitglieder-pm-12-02-2024.html

Pressemitteilung, 20. Oktober 2023

Warum Tuberkulosebakterien lange Ketten bilden.
Ein Forscherteam der Ecole Polytechnique Federal de Lausanne unter der Leitung von Dr. Vivek Thacker, jetzt Gruppenleiter am Zentrum für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg, hat untersucht, warum sich Tuberkulosebakterien zu langen Strängen aneinanderlagern und wie dies ihre Infektionsfähigkeit beeinflusst. Ihre Erkenntnisse könnten zu neuen Therapien führen und wurden nun in der Zeitschrift Cell veröffentlicht.   weiterlesen