QUALITÄTSSICHERUNG
Unter Qualitätssicherung werden heutzutage ausgesprochen verschiedene Aspekte zusammengefasst. In der Herzchirurgie kommt der Qualitätssicherung im Sinne einer steten Verbesserung der Patientenversorgung eine zentrale Bedeutung zu.
Entwicklung der bundesweiten Qualitätssicherung Herzchirurgie
Vor Einrichtung der gesetzlich geforderten externen Qualitätssicherung, die seit 2001 durch die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH wahrgenommen wird, wurde zunächst im Rahmen von Einzelprojekten, schließlich in der breit angelegten „Quadra-Studie“ 1984 die Grundlage für eine bundesweite Qualitätssicherung im Bereich der Herzchirurgie geschaffen.
Unabdingbare Voraussetzung einer sinnvollen Qualitätssicherung ist die Erfassung gut definierter Einzeldaten. Die Entwicklung eines geeigneten Dokumentationssystems wurde 1986 abgeschlossen. Flankiert von einer sich rasch entwickelnden elektronischen Datenverarbeitung konnte 1992 ein bundesweit einheitliches Qualitätssicherungsprogramm etabliert werden, dessen Betreuung und Weiterentwicklung durch die Fachgruppe Herzchirurgie mit Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Bundesärztekammer, dem Medizinischen Dienst der Kassen und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Nordrhein erfolgte. Trotz der zu diesem Zeitpunkt freiwilligen Teilnahme konnten bereits 1995 Analysen über sämtliche der damals 79 deutschen Herzchirurgien erfolgen. Die Daten wurden jährlich ausgewertet und die Ergebnisse den jeweiligen Abteilungen mitgeteilt, so dass Entwicklungen, die außerhalb bestimmter Grenzwerte lagen, unmittelbar erkannt und verfolgt werden konnten. Die Datenbank umfasste sämtliche Eingriffe, die in den Zentren durchgeführt wurden.
Im Rahmen der heute gültigen Pflicht-Qualitätssicherung werden seit 2004 für den Bereich Herzchirurgie ausschließlich aorto-koronare Bypassoperationen und/oder Aortenklappeneingriffe erfasst.
Qualitätssicherung in der Abteilung für Herzchirurgie der Universität Heidelberg
a) Qualitätssicherung auf den Grundlagen des ehemaligen Heidelberger Vereins für multizentrische Datenanalyse e.V. (HVMD)
In Heidelberg besitzt die Qualitätssicherung in der Herzchirurgie seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert. Über die Erfordernisse der Quadra-Studie und der jeweils gültigen Pflicht-Qualitätssicherung hinaus wurde ein umfassendes Dokumentationssystem entwickelt und seit 1988 im Klinikalltag etabliert. Dieses System erfüllt die Kriterien einer wissenschaftlichen Datenbank unter Einschluss abteilungsadministrativer Funktionen. Bundesweit hatten sich 10 Zentren zusammengefunden, die die Funktionalität des Systems komplett oder teilweise nutzten (ehemaliger Heidelberger Verein für multizentrischen Datenanalyse e.V.). Die Funktionalität erlaubt die Teilnahme an nationalen und internationalen Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie an zahlreichen Studien ohne wesentlichen dokumentarischen Mehraufwand. Pro Patient werden ca. 1500 Daten des prä- intra- und postoperativen Verlaufes erfasst. Hierbei werden nicht nur selektive Patientengruppen eingeschlossen, sondern sämtliche Eingriffe mit Ausnahme der ausschließlichen Herzschrittmacher- und ICD-Implantationen, die in einem dem System angeschlossenen Zusatzmodul erfasst werden. Ebenfalls assoziiert ist eine in Kooperation mit der Abteilung für pädiatrische Kardiologie entwickelte Datenbank für die Dokumentation der oft sehr komplexen angeborenen Herzfehler.
Besonderes Augenmerk richtet sich auf die Erfassung und Auswertung von Daten des Langzeitverlaufes nach herzchirurgischen Eingriffen. Hierfür werden Strategien verwendet, die in erster Linie den Patienten und seinen Hausarzt einbeziehen, um ein möglichst komplettes Bild über die postoperativen Ergebnisse zu erhalten. Diese Nachsorge umfasst nicht nur eine regelmäßige, standardisierte Erfassung des aktuellen Status 6 Monate nach der Operation, sondern darüber hinaus längere postoperative Perioden (>15 Jahre) im Rahmen von Querschnittanalysen.
Einen kritischen Punkt derartiger Datenbanken stellt die Datenqualität dar. Wir begegnen diesem Problem einerseits mit Plausibilitätsprüfungen, die bereits bei der Dateneingabe nur bestimmte Werte zulassen, bzw. auf Unstimmigkeiten durch Warnungen hinweisen. Der wesentlich günstigere Weg der Datenüberprüfung ist jedoch die Verwendung der Daten als Grundlage für die Erstellung von Operationsberichten, Arztbriefen und Entlassungsberichten, da hier noch eine mehrfache Überprüfung und schließlich Signatur des Inhaltes stattfindet.
b) Analysen zur steten Verbesserung der therapeutischen Konzepte
Ein Schwerpunkt des Fachbereiches Qualitätssicherung ist die möglichst genaue Beschreibung von Patientencharakteristika, um für künftige Patienten mit ähnlichem Profil eine Behandlungsoptimierung zu erreichen. Je präziser der tatsächliche Zustand des Patienten erfasst wird, umso exakter kann dieses Ziel erreicht werden.
Derartige Untersuchungen sind für eine „interne Qualitätssicherung“ im Sinne einer steten Überprüfung des Operationsergebnisses unter verschiedenen Voraussetzungen (Notfalleingriffe, präoperative Medikamente, Patienten mit hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion etc.) unabdingbar. Hierdurch können nicht nur die eigenen Konzepte verbessert, sondern Impulse für weitere Zentren im In- und Ausland gegeben werden. Im Sinne der „externen Qualitätssicherung“ erfolgt die Positionierung der Abteilung im bundesweiten und europäischen Vergleich.
Bereits seit Beginn des Einsatzes des Heidelberger Dokumentationssystems stand und steht jedoch nicht die strukturpolitisch notwendige Qualitätssicherung im Vordergrund, sondern die Nutzung der Information für die Entwicklung von Therapiekonzepten, die dem individuellen Patienten zugute kommen. Hierfür reichen die herkömmlichen Verfahren nicht aus. Seit Mitte der 90er Jahre wurde über eine Kooperation zu Herrn Professor E.H. Blackstone, einem der weltweit renommiertesten herzchirurgischen Epidemiologen in den U.S.A., in Heidelberg ein System etabliert, mit dem für den individuellen Patienten eine Voraussage der zu erwartenden postoperativen Überlebenskurve nach herzchirurgischen Eingriffe über mehrere Jahre hinweg möglich ist. Im Gegensatz zu den häufig verwendeten Scores, die für die Ermittlung des Risikos nur sehr grobe Einschätzungen bis zu 30 Tage postoperativ erlauben, gehen in die individuelle Risikoberechnung Effekte der kardialen Grunderkrankung sowie zahlreicher extrakardialer Erkrankungen ein, die sich im Langzeitverlauf sehr unterschiedlich auswirken können.
In neueren Analysen wurde die Sterblichkeit der Bevölkerung durch Zahlen des Statistischen Bundesamtes berücksichtigt, was ein wesentlich aussagekräftigeres Bild der individuellen Überlebenswahrscheinlichkeit erlaubt.
In aktuellen Analysen wird die gängige, Leitlinien-gerechte Praxis der Indikationsstellung zum Aortenklappenersatz sowie spezielle Fragen zur Behandlung der koronaren Herzerkrankung hinterfragt; hieraus soll die Basis für eine Verbesserung bestehender Konzepte geschaffen werden.
Sofern Sie an weiterer Information interessiert sind, wenden Sie sich bitte an:
Dr. med. Ursula Tochtermann
Oberärztin
(Klinik für Herzchirurgie)
Bereichsleiterin des Marfan-Zentrum, Qualitätssicherung