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Über die Abteilung

Sektion Phänomenologische Psychopathologie und Psychotherapie

Forschungsziele und -schwerpunkte

Die phänomenologische Psychopathologie versteht sich als eine Grundlagenwissenschaft der Psychiatrie, die die Grundstrukturen subjektiven Erlebens und ihre Abwandlungen in psychischer Krankheit mit theoretischer und empirischer Methodik untersucht. Sie geht einerseits auf die "verstehende Psychopathologie" von Karl Jaspers zurück, begreift sich darüber hinaus aber auch als angewandte Phänomenologie im Sinne Husserls. Ihr Hauptziel ist ein vertieftes und wissenschaftlich entwickeltes Verständnis der subjektiven Erfahrung psychisch Kranker, als unverzichtbare Basis nicht nur für die psychopathologische und neurobiologische Forschung, sondern vor allem auch für klinisch-diagnostische und psychotherapeutische Prozesse. An der Heidelberger Klinik kann diese Forschungsrichtung mit den Hauptvertretern W. v. Baeyer, W. Blankenburg, H. Tellenbach, A. Kraus und M. Schmidt-Degenhard an eine reiche Tradition anknüpfen.

Schwerpunkte gegenwärtiger phänomenologischer Forschung an der Klinik sind zunächst die grundlegenden Erlebniskategorien von Leib, Raum, Zeitlichkeit und Intersubjektivität. Sie finden besondere Anwendung auf die Analyse schizophrener Ich- und Intentionalitätsstörungen, auf das Leib- und Zeiterleben in der Depression, der Borderline-Störung, der Demenz, sowie auf die Psychopathologie und Pathogenese von Wahnphänomenen. Die im Rahmen dieser Forschungen u.a. entwickelte Konzeption der Schizophrenie als eine Störung der Verkörperung („disembodiment“; de Haan & Fuchs 2010) führte zur Implementierung körperorientierter Therapieverfahren zur Behandlung schizophrener Negativ-Symptomatik, u.a. in einer randomisierten kontrollierten Vergleichsstudie (Martin et al. 2016). Ergebnisse zu diesen Themenkreisen wurden in zahlreichen Originalarbeiten bzw. Monographien publiziert sowie auf nationalen und internationalen Kongressen vorgestellt.

In Weiterentwicklung klassischer phänomenologischer Ansätze werden darüber hinaus Verbindungen zur kognitiv-neurowissenschaftlichen Forschung hergestellt, etwa auf dem Gebiet der Selbst-Störungen in der Schizophrenie oder in der Analyse des Gehirn-Geist-Zusammenhangs aus der Sicht der „Embodied and Enactive Cognition“. Darauf aufbauend wurde in den letzten Jahren die Konzeption einer „ökologischen Psychiatrie“ entworfen („Das Gehirn – ein Beziehungsorgan“ bzw. „Ecology of the Brain“, Fuchs 2017/2018) und in eine Standortbestimmung zur Identität der Psychiatrie der DGPPN eingebracht („Zur Identität der Psychiatrie“, Sass et al. 2019).

Die interdisziplinäre Ausrichtung der Sektion Phänomenologie ist in den vergangenen Jahrzehnten auch in verschiedenen nationalen und europäischen Forschungsprojekten zum Tragen gekommen wie beispielweise DISCOS – „Disorders and Coherence of the Embodied Self“ (2007-2011), TESIS – „Towards an Embodied Science of Intersubjectivity“ (2011-2015), „Erkenntnis durch Interaktion – Zur Entwicklung von Person-, Selbst- und Objektwissen“ (2012-2015) wie auch im Marsilius-Projekt „Verkörperung als Paradigma einer evolutionären Kulturanthropologie“ (2013-2019). Auch die historische Rückbindung an die Anfänge der phänomenologischen Psychopathologie hat seit 2012 mit dem Heidelberger Akademienprojekt einer Gesamtausgabe des Werks von Karl Jaspers (KJG) mit Thomas Fuchs als Forschungsstellenleiter einen festen Platz im Forschungsprofil der Abteilung.

Die Forschungssektion gibt im Rahmen der „Deutschen Gesellschaft für Phänomenologische Anthropologie und Psychiatrie“ (DGAP) eine eigene Buchreihe zu phänomenologisch-psychopathologischen Themen heraus („Schriftenreihe der DGAP“, Hg. T. Fuchs, T. Breyer, S. Micali), bei der inzwischen 9 Bände erschienen sind, zuletzt von T. Fuchs „Randzonen der Erfahrung. Beiträge zur Phänomenologischen Psychopathologie“ (2020).

Schließlich wurden aktuelle gesellschaftliche, sozialpsychiatrische und kulturphänomenologische Analysen in „Das überforderte Subjekt“ (Fuchs et al. 2018) und in „Verteidigung des Menschen“ (Fuchs 2020) publiziert.

 

Literaturempfehlungen

 

Literatur:

de Haan, S., Fuchs, T. (2010) The ghost in the machine: Disembodiment in schizoprenia - two case studies. Psychopathology 43 (5): 327-33.

Martin, L. M., Koch, S. C., Hirjak, D., Fuchs, T. (2016) Overcoming disembodiment: The effect of movement therapy on negative symptoms in schizophrenia – A multicenter ran-domized controlled trial. Frontiers in Psychology 7: 483.

Fuchs, T. (2018) Ecology of the brain. The phenomenology and biology of the embodied mind. Oxford University Press, Oxford.

Fuchs, T. (2020) Randzonen der Erfahrung. Beiträge zur phänomenologischen Psycho-pathologie. Alber, Freiburg.

Fuchs, T. (2020) Verteidigung des Menschen. Grundfragen einer verkörperten Anthropologie. Suhrkamp, Berlin.

Fuchs, T. (in press) In Defense of the Human Being. Interventions from an Embodied Perspective. Oxford University Press, Oxford.

Fuchs, T., Iwer, L., Micali, S. (2018) (Hrsg.) Das überforderte Subjekt. Zeitdiagnosen einer beschleunigten Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt/M.

Sass, H., Maier, W., Bormuth, M., Brüne, M., Deister, A., Fuchs, T., et al. (2019) Zur Identität der Psychiatrie: Positionspapier einer DGPPN-Task-Force zum Thema Identität. DGPPN, Berlin

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