Studium statt Berufsausbildung: Die Heidelberger Hebammenschule beendet nach 257 Jahren den Unterricht
Die Heidelberger Hebammenschule wurde vor 257 Jahren eröffnet. Im Zuge der Akademisierung schloss sie im März 2023 ihre Pforten, zumindest für die auszubildenden Hebammen. Über die Zukunft des Hebammenberufes sprachen wir mit Marie Eichstädter, eine der letzten Absolventinnen der bisherigen Hebammenausbildung am UKHD und Rebecca-Ramona Röhrle, Hebamme, stellvertretende Kreißsaal-Leitung und Praxisanleiterin, sowie mit Mona Nagel, Studentin der Hebammenwissenschaft.
Was macht den Beruf der Hebamme aus? Für Rebecca-Ramona Röhrle ist es die Leidenschaft, mit Menschen zu arbeiten und Leben auf die Welt zu bringen. Diese emotionalen Situationen mit den Frauen durchzugehen und Intimität zu erfahren – das ist für sie etwas ganz Besonderes und einzigartig. Marie Eichstädter und Mona Nagel teilen diese Ansicht. Beide entschieden sich erst vor kurzem für die Berufsausbildung, bzw. für das Studium. Obwohl sich die Art der Ausbildung unterscheidet, waren die Gründe für die Berufswahl die gleichen: Medizinisches Interesse, die Freude an der Arbeit mit Menschen sowie Familien individuell und persönlich beiseite zu stehen.
Die bisherige Berufsausbildung zur Hebamme
Marie Eichstädter war Teil des letzten Ausbildungskurses der Hebammenausbildung an der Akademie für Gesundheitsberufe (AfG) in Heidelberg. Sie schaut positiv auf ihre drei Ausbildungsjahre zurück: „Wir hatten hauptsächlich Einsätze hier in der Uniklinik. Nach den Schulblöcken und externen Einsätzen kamen wir immer zu dem gleichen Team zurück, das uns schnell aufgenommen hatte.“ Die externen Einsätze schätzte sie ebenfalls: Beispielsweise in Heppenheim, in Mannheim oder Bruchsal sammelten die Auszubildenden Erfahrungen. Die Hebammenschule empfand Marie Eichstädter als wertvoll für die Ausbildung: „Ich konnte mir Unterstützung holen oder mit der Klassenlehrerin über Probleme reden. Diesen persönlichen Austausch fand ich sehr wichtig und schön.“ Als Praxisanleiterin im Kreißsaal führt Rebecca-Ramona Röhrle Studentinnen pädagogisch an den Hebammenberuf heran. Teil ihrer Aufgabe war auch die Kommunikation mit der Hebammenschule, die auch sie wichtig fand: „Die Hebammenschule war an der AfG in Heidelberg angesiedelt, deshalb arbeiteten wir viel zusammen. Wir sahen uns häufig, das machte es ein Stück weit familiär.“
Von der Akademie für Gesundheitsberufe an die Hochschule
Hebammen werden an der Hebammenschule zukünftig nicht mehr ausgebildet, denn der Start des Studiengangs Hebammenwissenschaft im Jahr 2020 machte das Ende der Berufsausbildung unausweichlich. Stattdessen wird die Hebammenschule nun für die Koordination der Praxiseinsätze am UKHD zuständig sein. „Für die Praxis der Hebammen verändert sich durch die Akademisierung eigentlich nicht viel. Ob das eine Ausbildung ist, oder ein Studium - der Beruf der Hebamme bleibt gleich. Unsere Tätigkeit verändert sich nicht.“ so Röhrle. „Was sich jedoch geändert hat, ist, dass die Ausbildung jetzt nicht mehr an Hebammenschulen stattfindet, sondern an Hochschulen. Neben dem Examen bekommen wir einen Bachelor-Abschluss. Der Anteil an Theorie ist gewachsen und die Praxiseinsätze sind anders strukturiert. Die Studierenden bekommen ebenfalls Einblicke in viele Stationen und Kreißsäle. Neben der klassischen Hebammenarbeit werden uns auch wissenschaftliche Inhalte und Methoden vermittelt“, erklärt Mona Nagel, Studentin der Hebammenwissenschaft im vierten Semester an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft (HWG) in Ludwigshafen und Angestellte des UKHD.
Herausforderungen und Chancen des neuen Studiums
Die Erwartungen, Sorgen, aber auch die Hoffnungen gegenüber der Akademisierung sind vielfältig. Rebecca-Ramona Röhrle blickt in ihrer Funktion als Praxisanleiterin gespalten auf das Studium: „Die Studentinnen durchlaufen die geburtshilfliche Station, die Freiberuflichkeit und den Kreißsaal. In der Ausbildung gab es aber noch weitere Einsätze, so waren beispielsweise der OP, die Kinderstation und die Psychiatrie feste Ausbildungsstationen. Vorteile des Studiums wiederrum sind, dass die Studentinnen von Anbeginn viel fachliches Wissen mitbringen.“ Marie Eichstädter vermutet darüber hinaus, dass die Anerkennung für den Beruf steigen könnte. Vielleicht werden sich mehr Menschen für das Studium entscheiden, als es vorher für die Berufsausbildung der Fall war. Auch für die Ausbildungsqualität sieht sie eine Chance: Ab 2030 muss ein Viertel der Zeit in Praxiseinsätzen aus Praxisanleitungen bestehen. Praxisanleitungen sind aufbereitete Lernsituationen, die durch pädagogisch geschultes Personal durchgeführt werden. Zuvor waren es am UKHD zehn Prozent gewesen. „Für die Studentinnen sehe ich einen sehr großen Vorteil, einfach weil diese Praxisanleitungen immer das waren, was für mich wirklich einen Lernfortschritt gebracht hat.“ Gleichzeitig stellt der hohe Bedarf an Praxisanleitern in Eichstädters Augen eine organisatorische Herausforderung dar. Schwierig findet sie die gestiegenen Zugangsvoraussetzungen: früher reichte eine mittlere Reife für die Ausbildung, jetzt ist es das Abitur oder eine andere Hochschulzulassung. Mona Nagel fühlt sich in ihrem Studium trotz mancher Ungewissheiten wohl: „Wir sind noch in der Anfangsphase. Das heißt, viele Strukturen sind noch in der Entwicklung und es wird viel ausprobiert. Aber grundsätzlich läuft es ganz rund.“ Ein großer Vorteil des Studiums besteht in den Aufstiegschancen und der Anerkennung innerhalb der EU: Im Ausland arbeiten, in die Forschung oder in die Lehre gehen, die Auswahlmöglichkeiten für Hebammen wachsen.
Die Zukunft der Hebammen am UKHD
Für das Team des Kreißsaals stellt sich noch eine weitere Frage: Werden sich nach dem Studium weiterhin genügend Hebammen für eine Stelle am UKHD interessieren? „Die Studierenden sind vielleicht zweimal im Jahr bei uns. Da wirklich einen Bezug aufzubauen und die Vorteile der Universitätsmedizin schmackhaft zu machen, wird glaube ich schwieriger.“ sagt Rebecca-Ramona Röhrle. Dabei gib es vieles, was das UKHD für sie attraktiv macht: „Wir sind ein Level-eins-Zentrum, auch schwierige Geburten sind bei uns keine Seltenheit. Diese Erfahrungen, die man hier mitbekommt, sind sehr, sehr wertvoll. Wir im Kreißsaal sind ein durchmischtes Team, viele Kolleginnen sind aus der jüngeren Generation. Alle sind offen, freundlich und wir achten darauf, dass die Work-Life-Balance stimmt.“ Auch Marie Eichstädter hat sich nach ihrem Examen für das UKHD entschieden: „Ich fühle mich hier gut aufgehoben und kann immer nachfragen, wenn ich unsicher bin. Gerade die Praxisanleitung macht das Ganze sehr attraktiv. Ich werde sehr gut eingearbeitet und fachlich kann ich hier viel lernen. Auch sonst ist das UKHD einfach ein attraktiver Arbeitgeber: einerseits die Bezahlung und andererseits die Sicherheiten, die geboten werden. Ich glaube schon, dass auch bei den Studentinnen Interesse besteht.“ Mona Nagel kann sich ebenfalls gut vorstellen, nach ihrem Studium als Hebamme am UKHD zu arbeiten: „Es ist ein tolles Team, es macht Spaß, hier zu arbeiten. Heidelberg ist ja generell auch bekannt für die Klinik und auch für die Frauenheilkunde. Außerdem ist Heidelberg eine schöne Stadt, was es natürlich noch attraktiver macht.“