Die spastische obere Extremität – Möglichkeiten der operativen Funktionsverbesserung

Bereich Hand-, Ellenbogen- und Mikrochirurgie

Erklärung

Eine Spastik im Bereich der Arme und Hände führt häufig zu Schmerzen und deutlichen Funktionseinschränkungen. Durch eine individuell angepasste Kombination aus Nerven- und Sehneneingriffen kann die Spastik ohne Kraftverlust reduziert und die Grob- und Feinmotorik verbessert werden.

Einsatzgebiete

Spastik ist definiert als ein geschwindigkeitsabhängig gesteigerter Dehnungswiderstand von Muskeln, der mit einer erhöhten Eigenspannung der Muskulatur einhergeht.  Die Spastik stellt eine der führenden Ursachen für eine gestörte Bewegungskontrolle und damit eine deutliche Funktionseinschränkung im Bereich der oberen Extremitäten dar, insbesondere bei Patienten mit spastischer infantiler Zerebralparese, Patienten nach Hirnblutungen und Patienten nach Schlaganfall. Im Bereich der oberen Extremität sind die häufigsten Muster eine spastische Schulterfehlstellung mit Einwärtsdrehung des Armes, eine übermäßiger Beugung im Ellenbogen, eine gesteigerte Einwärtsdrehung des Unterarms, eine vermehrte Beugestellung des Handgelenks, ein eingeschlagener Daumen („Thumb-in-palm“ Deformität), eine geballte Faust („clenched fist Syndrom“), sowie eine Schwanenhalsdeformitäten der Finger bei Intrinsic-Plus Syndrom. Unbehandelt führt die Spastik zu Muskel- und später Gelenkeinsteifung und damit zu einem zunehmenden Funktionsverlust des Armes sowie pflegerischer Probleme.

Wirkprinzip

Nach Ausschöpfung der konservativen Therapiemaßnahmen (Physiotherapie, Ergotherapie, Schienenbehandlung, Spannungshemmende Medikation), sowie bei entsprechendem Leidensdruck und Wunsch der Patienten kann eine operative Therapie durchgeführt werden. Diese setzt sich in der Regel aus einer Kombination von Sehnen- und Nerveneingriffen zusammen, die den passiven Bewegungsumfang der angrenzenden Gelenke wiederherstellen, die Überaktivität der spastischen Muskulatur reduzieren und die Spastik der betroffenen Muskelgruppen aufheben. [1]

Durchführung

Die operative Therapie erfolgt - nach ausführlicher präoperativer Diagnostik mit objektivierter Spastik-Testung und Bewegungsanalyse der oberen Extremität – in Vollnarkose.

Wann immer möglich, stehen die Nerveneingriffe im Vordergrund. Über die sogenannte hyperselektive Neurotomie (HSN) werden zwei Drittel, der einen bestimmten Muskel versorgenden Nervenfasern durchtrennt, um ohne Kraftverlust die Spastik dieses Muskels zu eliminieren [2]. Ergänzend erfolgen Sehneneingriffe in Form von Muskelverlängerungen, reiner Sehnenverlängerungen oder ggf. auch Sehnendurchtrennungen. Kann dadurch der passive Bewegungsumfang nicht ausreichend wiederhergestellt werden, kann ggf. zusätzlich eine Gelenklösung (Arthrolyse) oder sogar eine Gelenkversteifung (Arthrodese) erwogen werden.

Je nach Kombination der durchgeführten operativen Eingriffe kann postoperativ direkt frei bewegt werden, oder es erfolgt eine Ruhigstellung in einer Schiene für 3-6 Wochen, aus der heraus innerhalb bestimmter Bewegungsausmaße geübt werden kann. Die postoperative Beübung sollte durch Physiotherapie und Ergotherapie unterstützt werden.

Erfolgsaussichten

Voraussetzungen für eine erfolgreiche operative Therapie sind eine willkürliche Kontrolle von Greifen und Loslassen, eine vorhandene Sensibilität, sowie die entsprechende Motivation zur postoperativen Physio- und Ergotherapie.

Da die Spastik in Kombination mit der gestörten Bewegungskontrolle eine Erkrankung des zentralen Nervensystems darstellt, kann durch eine operative Therapie keine vollständige Normalisierung der Bewegungsabläufe erreicht werden. Mit einer individuell an den Patienten und dessen Bedürfnisse angepassten Auswahl an Nerven- und Sehneneingriffen, sowie der konsequenten Nachbehandlung können jedoch die Steuerung der Muskulatur und damit die Grob- und Feinmotorik deutlich verbessert werden, das Bewegungsausmaß der Gelenke vergrößert werden und der Schmerz, der durch die einschießende Muskelspastik entsteht, beseitigt werden.

Literatur und weiterführende Links für Patienten

1. Van Heest, A.E., J.H. House, and C. Cariello, Upper extremity surgical treatment of cerebral palsy. J Hand Surg Am, 1999. 24(2): p. 323-30. 
2. Gras, M. and C. Leclercq, Spasticity and hyperselective neurectomy in the upper limb. Hand Surg Rehabil, 2017. 36(6): p. 391-401.