Prothesen bei Knieexartikulation

Abteilung für Prothetik der unteren Extremität

Erklärung

In den letzten 10 Jahren entwickeln sich die technischen Möglichkeiten im Prothesenbau mit einer rasanten Geschwindigkeit. Was heute realisiert wird, war vor 10 Jahren noch undenkbar. Die vielen unterschiedlichen Passteile und Komponenten tragen in der richtigen Kombination zu einer wesentlich besseren Rehabilitation beinamputierter Menschen bei. Bei aller Euphorie für die neuen Entwicklungen, seien es Karbonfederfüße, Stoßdämpfer oder computergesteuerter Kniegelenke, wird leider mitunter vergessen, dass die Grundvoraussetzung für eine gute Prothese immer noch ein perfekt sitzender Schaft ist. Außerdem kann selbst auch das beste Kniegelenk nicht eine unkorrekte Statik der gesamten Prothese befriedigend ausgleichen.

Es kann also eigentlich nicht von der besten Prothese gesprochen werden. Denn eine Prothese muss immer den Ansprüchen des Amputierten gerecht werden. Egal wie teuer eine Prothese ist, sie ist immer nur ein Kompromiss aus den unterschiedlichen, teils konträren Anforderungen des einzelnen Patienten. Ein junger im Berufsleben stehender Mensch etwa hat einen hohen Anspruch an Dynamik und Funktion. Je mehr Funktion die einzelnen Bauteile einer Prothese bieten, desto schwerer wird die gesamte Prothese. Ein älterer Mensch hingegen erwartet eine hohe Sicherheit hinsichtlich der Sturzgefahr sowie ein geringes Gewicht. An diese Bauteile werden hier also ganz andere Anforderungen gestellt.

Besonders die Frage, wie ein fehlendes Kniegelenk mit seinem muskulär sichernden Streckapparat ersetzt werden kann, ist immer noch eine große Herausforderung in der technischen Orthopädie. Früher liefen viele Amputierte mit Krücken humpelnd durchs Leben. Inzwischen ist die kosmetische Anpassung wichtig geworden. Außerdem weiß man heute, dass ein möglichst symmetrisches und unauffälliges Gangbild die gesunde Seite vor frühzeitigem Verschleiß schützen kann. Auch Begleitbeschwerden wie muskuläre Verspannungen können dadurch reduziert werden. Die neuen Ansprüche belasten den Beinstumpf aber stärker als bisher. Mit den alten Schaftformen ließen sich Prothesen nicht mehr passgenau realisieren. Druck- und Scheuerstellen waren die Folge, was wiederum ein hinkendes Gangbild verursachte. Es war dringend erforderlich, die neuen technischen Möglichkeiten auch hier einzusetzen.

Bei einer Knieexartikulation werden nur die Weichteile im Kniegelenk durchschnitten. Im Gegensatz dazu wird bei einer Amputation der Knochen durchtrennt. Diese Sonderform einer Oberschenkelamputation weist viele Vorteile auf, aber auch einige Nachteile. Der größte Vorteil einer Knieexartikulation ist, dass das Stumpfende endbelastet werden kann. Das bedeutet, der Amputierte überträgt die Last über das Stumpfende und die große Fläche des Oberschenkels. Es werden keine anderen Stellen des Körpers, beispielsweise das Sitzbein bei einer Oberschenkelamputation, mehr benötigt, um die Last aufzunehmen. Die Lastaufnahme erfolgt weitgehend physiologisch, was sich positiv auf die Körperstatik auswirkt. Druckstellen treten seltener auf. Durch den langen Stumpf verfügt der Patient über sehr gute Hebelverhältnisse unter weitgehender Erhaltung der kompletten Oberschenkelmuskulatur. Im Ergebnis hat der Patient einen kräftigen Stumpf, der die Prothese gut steuern kann. Ein Nachteil ist die schlechtere Kosmetik wegen des langen Stumpfes. Außerdem ist die Auswahl der Kniegelenke begrenzt.

Sehr langer Oberschenkelstumpf
In gestrecktem Zustand der Prothese stellt Kosmetik kein Problem dar.
In gebeugtem Zustand lässt sich der überlange Stumpf nicht verbergen.

Carbonfederfüße zählen heute zum technischen Standard. Bei den meisten Patienten sind diese Füße allen anderen Gelenkkonstruktionen weit überlegen. Da diese Technik aber erheblich teurer ist als die konventionellen Methoden mit Schaumstoff, Holz oder Gelenken, tun sich die Kostenträger oft schwer mit ihrer Entscheidung.

Bei jungen, aktiven Patienten zweifelt inzwischen niemand daran, dass Carbonfüße sinnvoll sind. Studien haben indes gezeigt, dass diese Füße auch bei weniger aktiven Amputierten einen deutlichen Gewinn in der Energieausnutzung bringen. Und gerade ältere Patienten sind auf solche energiesparenden Konstruktionen angewiesen.

Eine Variante dieser "gelenklosen" Füße sind Konstruktionen, bei denen die Absatzhöhe variabel ist. Das führt zu einem höheren Gewicht und einer geringeren Dynamik bei der Energieausnutzung.

Mit dem erstes bionisch gesteuertes Prothesenfuß setzt die Firma Össur neue Maßstäbe: Der über Mikroprozessoren gesteuerte PROPRIO FOOT™ wurde erstmalig noch vor der Produkteinführung an sechs Patienten in unserem Ganglabor getestet. Die Elektronik des Fußes erkennt die einzelnen Schrittphasen und reagiert darauf selbsttätig mit einer Bewegung. Beim Rauflaufen auf einer schrägen Ebene wird die Fußspitze angehoben, um das Gehen zu erleichtern. Beim Hinablaufen dagegen senkt die Prothese die Fußspitze automatisch an, um den Fuß schneller mit der ganzen Fläche auf dem Boden zu haben. Das gibt dem Amputierten mehr Sicherheit. In der Ebene wird die Fußspitze bei jedem Durchschwingen der Prothese unter dem Körper angehoben, um mehr Bodenfreiheit und damit mehr Sicherheit gegen ein Hängenbleiben zu bekommen. Die Analysen in unserem Ganglabor haben gezeigt, dass diese Innovation funktioniert. Nachteilig sind das hohe Gewicht und Preis des Prothesenfußes.

Carbonfederfuß "Trias" mit Kosmetik
Fuß mit Absatzhöhenverstellbarkeit
Prothesensystem PROPRIO FOOT™

Ein Prothesenkniegelenk erfüllt im Wesentlichen zwei Aufgaben: (1) Es sichert die Standphase gegen das Einknicken des Kniegelenkes. Andernfalls könnte dies einen Sturz zur Folge haben. (2) Es steuert die Schwungphase. Der Unterschenkel der Prothese soll beim Laufen möglichst natürlich bewegt werden. Dies hat nicht nur ästhetische Gründe, sondern schont auch den gesamten Bewegungsapparat.

Zur Realisierung dieser beiden Anforderungen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Die beste Standphasensicherung bietet ein in gestrecktem Zustand gesperrtes Kniegelenk. In der Schwungphase kann das Knie dann aber nicht gebeugt werden, was ein stark humpelndes Gangbild mit großer Belastung für den Bewegungsapparat zur Folge hat. Solche Kniegelenke werden nur bei Patienten mit einem sehr großen Sicherheitsbedürfnis eingesetzt. Bei Knieexprothesen werden meist geometrische Standphasensicherungen verwendet. Diese bieten den besten Kompromiss zwischen Kosmetik und Funktion. Durch die Stumpflänge und die im Allgemeinen gute Muskelkraft kann fast immer auf eine Sperre verzichtet werden.

Unsere Aufgabe ist es, für unsere Patienten jeweils das richtige Gelenk und die richtige Kombination aus Fuß und anderen Bauteilen einer Prothese zusammenzustellen. Hier muss man immer einen Kompromiss zwischen Sicherheit und Dynamik finden. Beiden Aspekte stehen jedoch im Gegensatz zueinander. Je sicherer eine Prothese ist, desto weniger Dynamik wird sie haben.

Die Industrie arbeitet daran, diese Gegensätze zumindest abzuschwächen, um ein breiteres Spektrum der Prothesennutzung mit einem einzelnen Gelenk für jeden Patienten anzubieten. Schließlich läuft auch nicht jeder Mensch in der gleichen Art und Weise. Mal möchte man einen Schaufensterbummel machen, bei dem eher langsam und gemütlich gegangen wird. Dann hat man es eilig zum Bus zu kommen. Ein anderes Mal wiederum muss die Prothese viel Sicherheit bieten, weil man beim Heimwerken einen sicheren Stand braucht.

Mikroprozessorgesteuerte Kniegelenke wie das C-Leg® haben sich in der Oberschenkelprothetik bewährt. Daher kommen diese auch immer häufiger bei Knieexprothesen zu Einsatz. Eine elektronische Einheit erfasst 50-mal pro Sekunde verschiedene Parameter der Prothese und errechnet daraus, wie viel Standsicherheit oder Beweglichkeit des Kniegelenkes jeweils notwendig ist. Das Gelenk "erkennt" die Bedürfnisse des Patienten. Wir können mit unseren Erfahrungen den hohen Anspruch des Gelenkes bestätigen. Selbst schiefe Ebenen und Treppen können unsere Patienten nicht mehr erschrecken. Leider ist dieses Gelenk derzeit auch die teuerste Konstruktion. Eine Prothese mit C-Leg® kostet etwas EUR 20.000,-. Da ist es verständlich, dass die Krankenkassen sehr genau wissen wollen, warum dieses Gelenk bei einer Neuversorgung eingesetzt werden soll. Nachteilig ist vor allem auch die größere Aufbauhöhe gegenüber herkömmlichen "polyzentrischen" Gelenken, was im Sitzen optisch störend ist.

Nach einer Amputation ist Ihr Stumpf geschwollen, schmerzt und ist nur wenig belastbar. Deshalb empfehlen wir vor der Prothesenversorgung zumindest die Wundheilung abzuwarten. Während dieser Zeit müssen erst Sie und der Stumpf auf die Prothese vorbereitet und das "Leben danach" konditioniert werden.

Um die Schwellung und den Erguss schnell zum Abklingen zu bringen, wird der Stumpf von außen komprimiert. Je schneller die Schwellung abgeklungen ist, desto eher kann die Prothesenversorgung beginnen. Wenn zu früh damit begonnen wird, verändert sich der Stumpf noch, was zu einem schlecht sitzenden Schaft führt. Zur Kompression eignen sich zunächst elastische Binden. Wenn der Stumpf sich etwas stabilisiert hat, kommt ein Kompressionsstrumpf oder ein einfacher Silikonliner (Verbindungselement zwischen Stumpf und Prothese) zum Einsatz. Fängt man zu früh damit an, müsste man aus dem gleichen Grund wie beim Schaft den Stumpf bald erneuern.

In der Zwischenzeit härten Sie Ihren Stumpf vorsichtig ab. Dazu gibt es mehrere Methoden:

  • Bürstmassagen
  • Frottieren
  • Abklatschen
  • Mit kalten Wasser abwaschen

Der Patient beginnt so bald wie möglich mit ersten Stehversuchen auf dem erhaltenen Bein, sofern dieses belastbar ist. Das Wichtigste: Den Stumpf immer komprimieren. Er darf in dieser Zeit niemals ohne Wickelung oder Kompressionsstrumpf sein. Die Kompression darf nur zur Körperpflege, zur Physiotherapie und für Abhärtungsmaßnahmen abgenommen werden.

Außerdem leiten unsere Physiotherapeuten Sie dazu an, eine Beugekontraktur im Hüftgelenk zu vermeiden. Denn eine solche Bewegungseinschränkung wirkt sich sehr negativ auf die Prothesenversorgung aus.

Nach etwa 4 bis 6 Wochen ist Ihr Stumpf soweit, mit einer Interimprothese die ersten Steh- und Gehversuche zu unternehmen. Eine Interimprothese ist eine modulare Konstruktion mit einem Schaft, der mit wenig Aufwand verändert werden kann. Eine solche Vorabkonstruktion ist erforderlich, weil sich Ihr Stumpf auch jetzt noch und vor allem durch die Einwirkung der Prothese weiter verändert. Außerdem dient die Interimprothese dazu, unterschiedliche Bauteile wie Kniegelenk und Fuß zu testen, um bei der Definitivprothese die für Sie bestmögliche Kombination einsetzen zu können.

Nach 3 bis 6 Monaten ist Ihr Stumpf so weit stabilisiert, dass mit der Definitivprothese begonnen werden kann. Während Ihre Interimprothese immer wie ein Rohbau aussieht, ist Ihre Definitivprothese mit einer Kosmetik verkleidet und auf Leichtbau sowie geringe Wandstärken optimiert.

Stumpfwickeln mit elastischer Binde durch einen Physiotherapeuten
Korrekt gewickelte Kompressionsbinde an einem Oberschenkelstumpf

Die Haltbarkeit von Prothesen ist sehr unterschiedlich. Junge, aktive Menschen können innerhalb von 1 bis 2 Jahren eine Prothese völlig verschleißen. Bei anderen Patienten hält die gleiche Prothese auch 10 Jahre. Wenn sich jedoch das Volumen Ihres Stumpfes aufgrund einer Gewichtsveränderung ändert, ist eine Anpassung des Schaftes oft unvermeidlich. Bei manchen Menschen wirkt sich schon ein Unterschied von 1 bis 2 kg entsprechend deutlich aus.

Um Ihnen Sicherheit gewährleisten zu können, empfehlen wir zweimal jährlich die Kontrolle der Funktion aller Bauteile.

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