Heidelberger Schaumstofflagerung

Bandagistenabteilung

Erklärung

Das Heidelberger anatomisch angepasste Schaumstofflagerungssystem

Wir stehen immer wieder vor der Aufgabe, Schwerbehinderte und dabei vor allem Patienten mit infantiler Cerebralparese in bestimmten Positionen zu lagern. Harte Kunststoffschalen erwiesen sich bei der Behandlung dieser Patienten oft als ungeeignet. Es traten häufig Druckstellen auf oder aufwändigen Nachpassungen waren notwendig. Deshalb begannen wir, Körperformen in Schaumstoffmatratzen einzufräsen. Mittlerweile können wir Ihnen eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten mit dieser Technik zur Verfügung stellen. Möglich wurde dies durch die intensive Zusammenarbeit mit den Ärzten unserer Abteilung für zerebral bewegungsgestörte Patienten und den darauf spezialisierten Physiotherapeuten.

Bei der Schaumstofflagerung unterscheiden wir zwei Lagerungsmöglichkeiten. Mit der einfachen Schaumstofflagerungsschale lagern wir den Patienten in nur einer Position. Dies ist dann sinnvoll, wenn Patienten beispielsweise nur in Rücken- oder Bauchlage schlafen. In solchen Fälle ist es unnötig, auch eine Lagerung auf der Seite zu ermöglichen.

Patienten hingegen, die in unterschiedlichen Positionen schlafen und nachts umgelagert werden müssen, benötigen ein System, das verschiedene Stellungen erlaubt. In diesen Fällen fertigen wir ein Pelottenlagerungssystem an, das bis zu vier Schlafpositionen (Rücken-, Bauch-, Seitlage rechts, Seitlage links) ermöglicht. Die Abbildung zeigt die Seitlagerung rechts in Abduktionsstellung der Hüftgelenke. Durch einfaches Umstecken der Schaumstoffelemente lässt sich das System in Seitlagerung links innerhalb weniger Sekunden umbauen.

Das System kommt am häufigsten in der Behandlung von Kindern mit infantiler Zerebralparese zum Einsatz. Hier hat es sich besonders bewährt bei Patienten mit Neigung zu Kontrakturen der großen Beingelenke und zur Verhinderung oder Verzögerung einer drohenden Hüftluxation. Aber auch andere Krankheitsbilder die ähnliche Probleme aufweisen können erfolgreich mit einer Schaumstofflagerung behandelt werden. Das System dient zur Erhaltung der Sitz- und Pflegefähigkeit und der Körpersymmetrie. Außerdem wird die Krankengymnastische Therapie unterstützt.

Bei Vorliegen ausgeprägter Kontrakturen von Hüft- und Kniegelenken können viele Patienten nachts auf herkömmlichen Matratzen nicht mehr problemlos schlafen, weil der Körper nur noch punktuell an Knochenprominenzen aufliegt. Hier kommt es bereits nach kurzer Zeit zu Druckstellen bis in zu Dekubiti (offene Stellen). Die Kinder wachen auf und müssen dann von den Eltern gedreht werden. Diese Prozedur behindert die Nachtruhe von Kind und Eltern erheblich.

Unsere individuell eingefrästen Schaumstofflagerungsmatratzen verhindern die Entstehung von Druckstellen. Unser Ziel ist die großflächige Bettung der betroffenen Bereiche mit einer maximalen Druckverteilung. Dabei werden die vorhandenen Kontrakturen und die Körperform berücksichtigt und diese in den Schaumstoff eingelassen. Die Kinder müssen jetzt wesentlich seltener oder überhaupt nicht mehr gedreht werden.

Viele Eltern berichten, daß die Familie nach Versorgung mit einer Schaumstofflagerung zum ersten Mal seit Langem wieder nachts durchschlafen konnte.

Bis zu einem gewissen Grad können Kontrakturen der großen Beingelenke mit der Schaumstofflagerung behandelt werden. Der weiche Schaumstoff ist in der Lage eine dauerhafte, elastische Vorspannung auf die Gelenke auszuüben. Dadurch kann es bei noch behandlungsfähigen Kontrakturen zu einer Verbesserung kommen.

Auf jeden Fall kann einer Verschlechterung der Kontrakturen wirkungsvoll entgegengearbeitet werden.

Bei einer drohenden Hüftluxation aufgrund eines erhöhten und asymmetrischen Tonus einzelner Muskelgruppen hat sich die Schaumstofflagerung ebenso bewährt.

Die Bettung in einer korrigierten Position hinsichtlich der Hüftgelenkstellung verhindert oder verzögert erheblich die Luxation der Hüfte bei Kindern mit infantiler Zerebralparese. Die Schaumstoffschale verhindert die im Schlaf unwillkürlich ausgeführten schädlichen Bewegungen und Stellungen für das Hüftgelenk. Auch wird hinsichtlich einer eventuell später durchzuführenden Hüftoperation die Situation positiv beeinflusst.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die postoperative Lagerung nach weichteiligen und knöchernen Operationen der Beingelenke. Dabei kommt es darauf an, das Operationsergebnis langfristig zu halten.

Die Möglichkeiten der Korrektur von Fußfehlstellungen sind mit diesem System begrenzt. Die zur Korrektur erforderlichen Kräfte können nur von starren Materialien in Kombination mit einer zirkulären Fußfassung aufgebracht werden. In solchen Fällen bietet sich an, die Füße mit Innenschuhen zu korrigieren und diese in der Schaumstoffschale zu tragen.

Ähnlich verhält es sich mit Fehlstellungen der Hand. Auch hier kommt die zusätzliche Versorgung mit Handlagerungsschalen in Frage, die in der Schaumstoffschale berücksichtigt werden können.

Schwer beherrschbar sind ausgeprägte Rotationsfehlstellungen wenn die maximale Streckung in Hüft- und Kniegelenken erforderlich ist. Um diese Fehlstellungen behandeln zu können, müssen die Beine ggf. in einer leichten Beugestellung in der Schale eingebettet werden.

Die Herstellung und Ausführung richtet sich nach den Bedürfnissen des Patienten. So sind zur Anfertigung keine aufwendigen und belastenden Gipsabdrücke erforderlich. In ruhiger und entspannter Atmosphäre wird eine Umrisszeichnung des Patienten angefertigt. Dazu bringen die Eltern und Therapeuten den Patienten in die gewünschte Position.

Nach dieser Zeichnung wird manuell in einem anderen Raum die Form in den Schaumstoff eingefräst und gleich wieder anprobiert.

Hierbei kann beliebig oft geändert und nachgepasst werden, bis die Wünsche des Patienten und der Eltern nach maximalem Komfort und die der Ärzte und Therapeuten nach einer guten Korrekturstellung befriedigt sind.

Es wird mit Schaumstoffen unterschiedlicher Härte gearbeitet. An Stellen, die besonders empfindlich sind, kann ein weiches Material verwendet werden. Wenn größere Korrekturkräfte erforderlich sind, steht ein festerer Schaumstoff zur Verfügung. Insgesamt wird mit 10 unterschiedlichen Schaumstoffen gearbeitet, die bei Bedarf alle an einer Lagerung zum Einsatz kommen.

Nach der Erstellung des Rohbaus besteht für den Patienten die Möglichkeit, die Lagerung Zuhause auszuprobieren um die Alltagstauglichkeit zu testen. Sollten sich hieraus noch Änderungen ergeben, so können diese bei dem nächsten Besuch in unserer Werkstatt berücksichtigt werden. Zum Abschluß wird der Schaumstoff mit einem hochelastischen Frotteestoff bezogen. Dieser muß aufgrund der komplexen Formen mit der Unterlage fest verklebt werden. Sollte es erforderlich sein, kann im Bereich des Beckens eine urindichte Schicht eingearbeitet werden.

Ein uns sehr wichtiger Aspekt ist das Anliegen der Betroffenen, möglichst wenig Stauraum in der Wohnung durch die Lagerung zu beanspruchen. Deshalb wird die Grundmatratze auf die jeweiligen Bedürfnisse maßgefertigt. Auf diese Matratze werden einzelne Teile (Pelotten) aufgesteckt, die, wenn irgendwie möglich doppelseitig verwendbar sind. Die jeweilige Position wird dann mit einem entsprechend farbig gekennzeichneten Bezug deutlich gemacht.

Die Schaumstoffteile werden mit einem einfachen Stecksystem auf der Matratze fixiert, daß auch nachts und in schlaftrunkenem Zustand bedient werden kann.

Grundsätzlich sind alle Schlafpositionen realisierbar. Die meisten Menschen schlafen jedoch nicht in allen Lagen, so daß oft zwei oder drei unterschiedliche Positionen ausreichen. Je weniger Lagen erforderlich sind, desto weniger Platz beanspruchen die Schaumstoffteile.

Für die Anpassung des Lagerungssystems müssen Sie bei dem ersten Besuch einen ganzen Tag in der Werkstatt rechnen. An diesem Tag findet in der Regel auch die Vorstellung in der Ambulanz und die Abnahme durch den behandelnden Arzt statt. Meist besteht bereits jetzt die Möglichkeit die Lagerungsschale zur Probe mit nach Hause zu nehmen. Oft reicht dann ein weiterer Besuch, der aber nur der Abklärung von Problemen dient. An diesem Tag bleibt das System wieder in der Werkstatt und wird dann fertig gestellt. Auf Wunsch schicken wir Ihnen nach Fertigstellung das Lagerungssystem zu.

Durch die relative Weichheit des Schaumstoffes kommt es sehr selten zu Druckstellen und Beschwerden. Die Akzeptanz der Patienten ist sehr gut.

Ein sehr wichtiger Aspekt ist die Verbesserung des Schlafkomforts. Immer wieder wird von Eltern berichtet, daß die Familie zum ersten Mal seit Jahren durchschlafen kann. Durch die großflächige Druckverteilung kommt es seltener zu Druckstellen. Zudem verhindert die Lagerung meist tonusbedingte schmerzhafte Stellungen. Deshalb müssen die Kinder oft nachts überhaupt nicht mehr oder wesentlich seltener umgelagert werden. Dies hat zur Folge, daß die ganze Familie morgens ausgeruht und weniger gestresst ist. Durch die bessere Lagerung mit der Hemmung spastischer Muster und Verbesserung der gesamten Körperposition kommt es auch immer wieder zu positiven Begleiteffekten wie eine Verringerung der Atemwegsinfekte.

Je nach Wachstum kann es von Zeit zu Zeit erforderlich sein, Nachpassungen vorzunehmen. Auch eine veränderte Lagerungssituation kann Änderungen erforderlich machen. Dies wird in aller Regel ambulant innerhalb eines Tages von uns durchgeführt. Nach unserer Erfahrung ist im Durchschnitt einmal jährlich eine wachstumsbedingte Nachpassung erforderlich. Wenn das Kind ein Längenwachstum von mehr als 8-10 cm zeigt, ist es meist erforderlich, das Schaumstoffsystem zu erneuern.

Bei Verschmutzung kann der Bezug in unserer Werkstatt ausgewechselt werden. Der Schaumstoff selbst zeigt kaum Ermüdung oder Verschleiß. Es ist nur darauf zu achten, daß er nicht naß wird.

Folgende Symptome bei schweren Ausprägungen einiger neuromuskulärer, neurologischer und entzündlicher Erkrankungen stellen die Indikation zu Ganzkörpereinbettungen aus Schaumstoff dar.

  • Schmerzen bei normaler Lagerung im Bett oder in einer Hartkunststoffschale mit Störung der Nachtruhe
  • Schmerzen bei muskulär/spastisch bedingten Gelenkluxationen
  • Kontrakturprophylaxe für Hüft- und Kniegelenke
  • Kontrakturen im Bereich der großen Gelenke, vor allem Beugekontrakturen von Hüft- und Kniegelenk sowie Adduktionskontrakturen der Hüftgelenke
  • Windschlagdeformitäten mit Asymmetrien im Rumpf-, Becken- und Beinbereich
  • Dystrophe (schlechte Weichteildeckung der Knochenvorsprünge) Patienten mit Druckstellengefahr im Bereich der Knochenvorsprünge bei normaler Lagerung
  • Schwere spastische Tonuserhöhungen der Muskulatur
  • Unkontrollierte Bewegungen (Athetose) die eine herkömmliche Lagerung unmöglich machen
  • Prophylaxe oder Progedienzbremsung bei drohenden Hüftluxationen

Diese Symptome sind bei folgenden Krankheitsbildern besonders häufig zu beobachten:

  1. Infantile Zerebralparese (ICP) meist im Sinne einer spastischen Tetraparese
  2. Arthrogryposis multiplex congenita
  3. Spinale Muskelatrophie
  4. Progressive Muskeldystrophie
  5. Angeborene (Myelomeningeocele) und erworbene Querschnittlähmung
  6. Juvenile chronische Polyarthritis 
Rückenlagerungsschale
Bauchlagerungsschale
Seitlagerung rechts
Seitlagerung links
Schaumstofflagerung bei einer starken Adduktorenspastik
Lagerung eines schwerstbehinderten Patienten in Rücken- und Seitlage