Neue Perspektiven für Behandlung akuter lymphatischer Leukämie bei Erwachsenen
Die akute lymphatische Leukämie ist bei erwachsenen Patientinnen und Patienten schwer zu behandeln und geht mit einer schlechten Prognose einher. Forschende des UKHD, des DKFZ und am NCT Heidelberg haben in einer Studie einen neuen Weg beschritten: Sie behandelten 13 erwachsene Patienten mit ALL, die auf die Standardbehandlung nicht angesprochen oder einen Rückfall der Erkrankung erlitten hatten (refraktär/rezidiviert; r/r ALL), mit CAR T-Zellen der dritten Generation. CAR steht für chimärer Antigenrezeptor.
CAR T-Zellen der dritten Generation enthalten zwei spezielle Komponenten (sogenannte kostimulatorische Domänen) innerhalb ihres CAR-Konstrukts, die in CAR T-Zellen der zweiten Generation nur einmal vorhanden sind. Präklinische und klinische Studien haben Hinweise darauf gegeben, dass CAR T-Zellen der dritten Generation eine höhere klinische Effizienz und Langlebigkeit besitzen. Bisher lagen allerdings nur wenige klinische Daten vor, die ausschließlich CAR T-Zellen der dritten Generation bewerteten.
Die Studie Heidelberg CAR Nummer 1 (HD-CAR-1) sollte hier neue Erkenntnisse liefern. In ihr wurden alle Behandlungsschritte, einschließlich der Trennung der weißen Blutkörperchen von den anderen Blutbestandteilen, der Herstellung und Verabreichung der CAR T-Zellen, der Patientenüberwachung sowie der Patientennachbeobachtung in Heidelberg durchgeführt.
Maria-Luisa Schubert, Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD, ist Erstautorin der Publikation. Sie sagt: „Kommerziell verfügbare und zugelassene Produkte nutzen CAR T-Zellen der zweiten Generation. Unsere Studie zeichnet sich dadurch aus, dass wir erwachsene ALL-Patienten mit CAR T-Zellen der dritten Generation aus eigener Herstellung gemäß den qualitätssichernden Richtlinien der Good Manufacturing Practice behandeln.“ Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem DKFZ realisiert.
Die 13 Studienteilnehmer erhielten steigende Dosen von CAR T-Zellen, die gegen das B-Lymphozytenantigen CD19 gerichtet waren. 90 Tage nach der CAR-T-Zell-Behandlung war bei zehn Patienten ein Ansprechen festzustellen. Acht Patienten erreichten eine komplette Remission, ihre Erkrankung war mit Standardmethoden nicht mehr nachweisbar. Bei fünf Patienten war zudem die minimale Resterkrankung (minimal residual disease, MRD) nicht mehr nachweisbar. Nach einem Jahr Beobachtung waren mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer am Leben und das progressionsfreie Überleben (progression-free survival, PFS) betrug 38 Prozent.
Michael Schmitt, Leiter der Zell- und Immuntherapie an der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD, ist Studienleiter und Letztautor. Er sagt: „Die hohe Wirksamkeit der Behandlung mit CAR T-Zellen der dritten Generation ist ein sehr erfreuliches Ergebnis. Und dass wir nur vergleichsweise schwache Nebenwirkungen beobachtet haben, macht das Ergebnis umso wertvoller.“ Im Rahmen der Studie entwickelte kein Patient die gefürchteten neurologischen Symptome, die als Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom bekannt sind, oder ein höhergradiges Zytokinfreisetzungssyndrom.
Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie des UKHD, sagt: „Wir sind sehr froh, dass wir mit unserer Studie ein so vielversprechendes Ergebnis erreicht haben und damit neue Perspektiven für schwer an ALL erkrankte Patientinnen und Patienten eröffnen. Ich danke allen an der Studie Beteiligten für ihren Einsatz.“