28.02.2025…

Familiensymposium: Unterstützung für psychisch belastete Familien im Fokus

Vom 28. Februar bis 1. März lädt das Zentrum für psychosoziale Medizin zum Familiensymposium ein, das sich mit den Herausforderungen psychischer Erkrankungen in Familien beschäftigt. Zentrumssprecherin Professor Sabine Herpertz erläutert, wie gezielte Unterstützungsangebote helfen können, die Belastungen für betroffene Familienmitglieder zu verringern und die psychische Gesundheit zu fördern.

Interviewer: Frau Professorin Herpertz, vom 28. Februar bis 1. März lädt das Zentrum für psychosoziale Medizin zum Familiensymposium ein. Worum wird es bei diesem Symposium gehen?

Sabine Herpertz: Das Symposium beschäftigt sich nicht nur mit den einzelnen Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, sondern mit der gesamten Familie, in der Personen mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen leben. Denn wir wissen, dass in vielen Familien mehrere Mitglieder von psychischen Erkrankungen betroffen sind und weil auch die Angehörigen von psychisch erkrankten Menschen häufig stark belastet sind. 

Interviewer: Wie viele Familien sind denn von psychischen Erkrankungen betroffen? 

Sabine Herpertz: In Deutschland wurde eine große Studie durchgeführt, die sich allerdings ausschließlich auf Familien mit Kindern unter drei Jahren konzentrierte. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass 17 Prozent der Familien mit psychosozialen Problemen kämpfen. Das entspricht auch meinem klinischen Eindruck. Damit ist jede fünfte bis sechste Familie betroffen.

Interviewer: Können Sie diesen Familien helfen?

Sabine Herpertz: Ja. Wir haben in den letzten Jahren immer mehr Unterstützungsangebote für Familien entwickelt. Zum Beispiel bieten wir schon lange eine Sprechstunde an, in der Sozialarbeiter mit systemischer Ausbildung den Angehörigen von psychisch erkrankten Menschen Gespräche anbieten. Dieses Angebot richtet sich auch an die Kinder von psychisch kranken Eltern, um ihnen zu helfen, mit der Situation umzugehen. Unsere Kinder- und Jugendpsychiater sind zur Stelle, wenn die Kinder bereits Symptome einer psychischen Erkrankung zeigen. Gestresste Angehörige entwickeln nicht selten psychosomatische Beschwerden und können dann auch bei uns Hilfe erfahren. Zudem haben wir eine Station, auf der Eltern mit ihren Kindern aufgenommen werden können. Ein aktuelles Beispiel: Eine Frau, die gerade im Wochenbett war, ist mit ihrem Säugling nach der Geburt zu uns zurückgekehrt, um die ersten Wochen mit ihrem Kind bei uns zu verbringen. 

Außerdem beschäftigen sich unsere beiden Institute mit der Prävention psychosozialer Probleme in Familien. Das Institut für Psychosoziale Medizin bietet beispielsweise Therapieangebote für Schreibabys an. Unser Institut für Medizinpsychologie konzentriert sich auf Zweierbeziehungen, z.B. Eltern in schwierigen Partnerschaften, denn wir wissen, dass Konflikte zwischen Eltern und instabile Partnerschaften erhebliche Auswirkungen auf die Kinder haben können.

Interviewer: Welche neuen Erkenntnisse gibt es denn zur Frage, warum Familien von psychischen Erkrankungen betroffen sind? Welche Erkrankungen treten am häufigsten auf?

Sabine Herpertz: Eine wichtige Erkenntnis war, dass Mütter mit Depressionen oft Schwierigkeiten haben, sensibel auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen. Eine Depression geht mit Antriebsmangel, Rückzug und einer tiefen Freudlosigkeit einher, was es für die betroffene Person schwer macht, eine liebevolle und unterstützende Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Zudem reagieren psychisch kranke Eltern oft sehr schnell mit Stress.

Wir haben auch biologische Studien durchgeführt und dabei festgestellt, dass bestimmte Hirnareale bei psychisch erkrankten Eltern weniger aktiv sind, wenn sie Bilder von Kindern in herausfordernden Situationen sehen. Diese Areale sind mit Empathie und der Fähigkeit, sich in die Bedürfnisse des Kindes hineinzuversetzen, verbunden. Das zeigt, wie auf biologischer Ebene eine veränderte Verarbeitung von sozialen Reizen stattfindet.

Wir bieten ein spezielles Elternprogramm an, das den Eltern hilft, ihre Kinder und deren Bedürfnisse besser zu verstehen. Fragen nach der Elternschaft sind mittlerweile fester Bestandteil unserer Anamnese, und wir fragen alle Eltern, ob sie minderjährige Kinder haben und wie ihre Beziehung zu diesen ist, um bei Bedarf gezielt Unterstützung anbieten zu können.

Interviewer: Ein Vortrag im Symposium behandelt die Rolle des Vaters für die psychische Gesundheit der Familie. Was weiß man über die Bedeutung des Vaters für das Familienleben?

Sabine Herpertz: Es gibt deutlich weniger Studien zu Vätern als zu Müttern. In einer eigenen aktuellen Studie haben wir Väter genauso wie Mütter befragt und ihnen die Möglichkeit gegeben, an Elterntrainings teilzunehmen. Kinder von depressiven Vätern haben ein erhöhtes Risiko, selbst depressive Erkrankungen, Angststörungen oder Verhaltensprobleme zu entwickeln. Natürlich gibt es auch eine genetische Komponente, aber wir haben uns besonders damit beschäftigt, wie sich das Verhalten der Eltern, ihr Erziehungsstil und ihr Stressniveau negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken können und wie wir durch Therapie präventiv auf die nächste Generation einwirken können.

Interviewer: Und therapieren Sie dann nur die Väter oder auch die Kinder?

Sabine Herpertz: In unserer achtjährigen Studie konzentrierten wir uns hauptsächlich auf die Eltern. Aber in einzelnen Sitzungen war auch das Kind dabei. Wir nehmen dann Videos auf, um die Interaktion zwischen Elternteil und Kind zu beobachten, und arbeiten im Gespräch mit dem Elternteil daran, problematische Themen zu identifizieren und zu bearbeiten. Auf unserer Mutter-Kind-Station wird nach Abschluss der Therapie ein weiteres Video aufgenommen, und es ist wirklich schön zu sehen, wie sich die Interaktion zwischen Elternteil und Kind verbessert hat.

Interviewer: Fällt Ihnen ein Beispiel dazu ein?

Sabine Herpertz: Ein schönes Beispiel aus unserer Praxis ist ein Video, das ich gesehen habe. Zu Beginn zeigte die Mutter, die an einer Persönlichkeitsstörung litt, sehr impulsive und dominante Verhaltensweisen. Ihr Kleinkind baute mit Bauklötzen einen Turm, der ständig umkippte. Die Mutter reagierte nervös und gereizt, was zu einem Konflikt zwischen beiden führte. In einem späteren, nach der Therapie entstandenen Video, war die Mutter ruhiger, ließ das Kind in Ruhe den Turm bauen und lobte es, wenn die Klötze nicht fielen. Bei depressiven Müttern sehen wir, dass die Therapie zu einer besseren Synchronizität zwischen Elternteil und Kind führt, die sowohl in der Kommunikation als auch in der Körpersprache zum Ausdruck kommt.

Interviewer: Helfen Sie hier durch Psychotherapie oder mit Medikamenten?

Sabine Herpertz: Wir haben festgestellt, dass der Schweregrad der elterlichen Erkrankung großen Einfluss auf die Beziehung zum Kind hat. Daher muss die psychische Erkrankung der Eltern gut behandelt werden, und in vielen Fällen ist auch eine medikamentöse Behandlung notwendig, besonders bei schweren Depressionen. Bei Persönlichkeitsstörungen spielen Medikamente eine geringere Rolle; hier ist vor allem Psychotherapie wichtig. Ein Vorteil unseres Zentrums ist, dass wir beides – Psychotherapie und Pharmakotherapie – von Anfang an anbieten können, wenn es notwendig ist.

Interviewer: Auf dem Symposium wird auch über neurobiologische Folgen von Kindheitstraumata gesprochen. Welche neuen Erkenntnisse gibt es dazu?

Sabine Herpertz: Es ist bekannt, dass Menschen, die in ihrer Kindheit traumatische Erlebnisse hatten, Gemeinsamkeiten zeigen. Sie sind zum Beispiel hypersensibel gegenüber Zurückweisungen und nehmen andere Menschen schnell als sozial bedrohlich wahr. Dies hat sich in Verhaltensexperimenten, in der Bildgebung und auch in EEG-Untersuchungen gezeigt. Ein weiteres Merkmal ist die Schwierigkeit, Emotionen zu regulieren, was auch die Eltern-Kind-Beziehung stark beeinflussen kann. Menschen, die traumatische Kindheitserfahrungen gemacht haben, haben zudem oft ein geringes Selbstwertgefühl und können die Motive und Emotionen anderer Menschen schwerer nachvollziehen.

Interviewer: Sind diese Schäden heilbar? Man hört immer wieder von furchtbaren Traumata, wie den Geiselnahmen in Israel. Können solche Familien ebenfalls Hilfe erhalten?

Sabine Herpertz: Ja, auf jeden Fall. Wir haben auch in unserer Psychotherapieforschung zusammen mit neurobiologischer Forschung untersucht, wie sich Therapien auf traumatisierte Menschen auswirken. Unsere Studien zeigen deutliche Verbesserungen, die tatsächlich wieder in Richtung Normalität gehen. Ich bin daher optimistisch, dass man auch Menschen, die schwer traumatisiert wurden, helfen und heilen kann. Eine unserer Referentinnen, eine Israelin, Ruth Feldman, hat viele Studien mit Kindern im Gazastreifen durchgeführt – und zwar von israelischer und palästinensischer Seite. Sie zeigt, wie mit gezielten Familienangeboten Wunden geheilt werden können, und wir sehen auch biologisch, wie dysfunktionale Prozesse wieder kompensiert werden.

Interviewer: Am zweiten Tag des Symposiums bieten Sie Workshops für Fachleute sowie für betroffene Familien an. Worum wird es dabei gehen?

Sabine Herpertz: Die Workshops decken ein breites Themenspektrum ab. Beispielsweise wird unser Elterntraining vorgestellt. Es wird auch einen Workshop zur Bewältigung von Feindseligkeit in der Eltern-Kind-Beziehung geben und einen Workshop zur Früherkennung psychischer Störungen. Und es gibt auch einen Workshop für Angehörige von Demenzpatienten, da dies ebenfalls ein großes Problem in unserer immer älter werdenden Gesellschaft darstellt.