Colitis ulcerosa
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und TransplantationschirurgieDefinition der Erkrankung
Colitis ulcerosa gehört zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und betrifft ganz vorrangig den Dickdarm. Die Entzündung breitet sich vom Mastdarm (Rektum) ausgehend kontinuierlich im gesamten Dickdarm (Kolon) aus und kann gelegentlich auch auf den unteren Abschnitt des Dünndarms (Ileum) übergreifen (Backwash-Ileitis). Colitis ulcerosa greift vor allem die Schleimhaut des Dickdarms an, während die tieferen Wandschichten nicht in den entzündlichen Prozess einbezogen sind.
In Deutschland erkranken jährlich etwa sechs Menschen pro 100.000 Einwohner, europaweit sind es fünf bis 25 Patienten pro 100.000 Einwohner. Am häufigsten wird die Diagnose zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr gestellt, gelegentlich auch bereits im Kindesalter. Frauen und Männer sind gleich häufig von dieser Darmerkrankung betroffen.
Symptome
Eine Colitis ulcerosa bereitet nicht permanent Beschwerden, sondern verläuft in Schüben. Es gibt also Phasen, in denen Patienten symptomfrei sind und durch die Erkrankung nicht beeinträchtigt werden. Diese Phasen können Monate, manchmal sogar Jahre andauern.
Hauptsymptome der Colitis ulcerosa sind blutige Durchfälle mit häufigen Stuhlentleerungen. Neben vermehrtem Stuhldrang (Tenesmen) treten krampfartige Schmerzen auf, die in einem fortgeschrittenen Stadium häufiger und intensiver werden.
Je früher eine Colitis ulcerosa eintritt, je länger sie andauert und je schwerer sie verläuft, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit nach jahrelangem Verlauf, an Dickdarmkrebs (Kolonkarzinom) oder Mastdarmkrebs (Rektumkarzinom) zu erkranken. Leiden die Betroffenen gleichzeitig an einer chronischen Entzündung der Gallenwege (primäre sklerosierende Cholangitis, PSC), ist das Risiko für das Entstehen von Dickdarmkrebs deutlich erhöht. Dies belegen größere Studien, die einen starken Anstieg der Krebsrate von 2,1 Prozent nach zehn Jahren Erkrankungsdauer auf fast 20 Prozent nach 30 Jahren zeigen.
Ein Teil der Patienten zeigt zusätzlich Symptome außerhalb des Magen-Darm-Traktes. Dazu zählen etwa Entzündungen an den Gelenken und dem Leber- oder Gallenwegssystem (Primär sklerosierende Cholangitis).
Ursachen
Die genauen Ursachen der Colitis ulcerosa sind bis heute nicht genau bekannt. Mediziner diskutieren derzeit verschiedene Theorien. Am wahrscheinlichsten ist, dass mehrere Faktoren die chronische Darmentzündung auslösen.
Unter anderem wird eine Fehlregulation des körpereigenen Immunsystems vermutet: Im Normalfall schützt das körpereigene Abwehrsystem den Organismus vor Krankheitserregern. Hält es jedoch Substanzen wie harmlose Darmbakterien oder Nahrungsbestandteile für Eindringlinge, bekämpft es diese mit seinen Abwehrstoffen. Auf diese Weise können in der Darmschleimhaut anhaltende Entzündungsreaktionen hervorgerufen werden. Weniger Bedeutung misst die Forschung einer genetischen Veranlagung bei Colitis ulcerosa bei.
Diagnose
Bei Verdacht auf eine Colitis ulcerosa stehen verschiedene Untersuchungen an. Zur Erstdiagnose ist aus unserer Sicht unbedingt eine komplette Darmspiegelung erforderlich, die Sie auf Wunsch natürlich auch unter einer Teilnarkose vornehmen lassen können.
Darmspiegelung (Koloskopie)
Die Darmspiegelung ist immer noch die zuverlässigste Methode zur Diagnosestellung einer Colitis ulcerosa. Während der Untersuchung kann der Arzt die Darmschleimhaut des Enddarms, Dickdarms und ein Stück des Dünndarms genau betrachten und die für die Colitis ulcerosa typischen Geschwüre (Ulzerationen), flächenhafte Schleimhautrötungen oder Pseudopolypen erkennen. Besteht die Erkrankung über einen längeren Zeitraum, zeigt sich dies in einer narbigen Schrumpfung des Darms. Zur weiteren Absicherung der Diagnose werden mehrere Gewebeproben (Biopsien) im gesamten Dickdarm und Mastdarm entnommen und einer feingeweblichen (histologischen) Untersuchung durch den Pathologen zugeführt. Anhand der histologischen Aufarbeitung dieser Proben lässt sich am sichersten feststellen, ob bei Ihnen eine Colitis ulcerosa die Beschwerden verursacht und wie ausgeprägt die Entzündung zu diesem Zeitpunkt ist. Die Darmspiegelung mit Probeentnahmen sollte in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um dem nach Jahren auftretenden Risiko einer bösartigen Tumorentwicklung Rechnung zu tragen.
Ultraschall, Computer- und Magnetresonanztomografie (CT und MRT)
In bestimmten Fällen, z.B. bei Vorliegen einer primär sklerosierenden Cholangitis, liefern Untersuchungsmethoden wie Ultraschall oder Magnetresonanztomografie (MRT) zusätzliche Informationen, die für die Behandlung der Erkrankung wichtig sind.
Interdisziplinäres CED-Kolloquium
Nach den Untersuchungen besprechen Radiologen, Internisten und Chirurgen einmal in der Woche in unserem interdisziplinären CED-Kolloquium die radiologischen Befunde eines jeden Patienten. Mit diesem Austausch bündeln wir nicht nur unser Wissen und unsere Erfahrung, sondern wir können so für jeden einzelnen Patienten einen individuellen Therapieplan erarbeiten.
Interdisziplinäres Endoskopie-Zentrum
Sämtliche endoskopische Untersuchungen führen wir in unserem Interdisziplinären Endoskopie-Zentrum durch. Dank innovativer Verfahren und neuester Medizintechnik können wir zuverlässig eine Diagnose stellen und die lückenlose Überwachung und Nachbeobachtung der Patienten sicherstellen.
CED-Sprechstunde
Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung können in der CED-Sprechstunde ihre individuellen Fragen stellen und direkt mit den behandelnden Ärzten sprechen. Patienten mit Colitis ulcerosa betreuen wir zusätzlich in einer interdisziplinären internistisch-chirurgischen Sprechstunde jeden Montag. Sie erhalten hier eine auf Sie abgestimmte Beratung und Behandlungsempfehlung, an der sowohl Internisten als auch Chirurgen beteiligt sind. Diese Abstimmung im Expertenteam trägt zu Ihrer Patientensicherheit und zu einer ausgewogenen und individuellen Behandlungsempfehlung bei.
Ablauf der Behandlung
Die Therapie einer Colitis ulcerosa erfolgt zunächst medikamentös. Stellt sich der gewünschte Erfolg nicht ein, können die operative Entfernung des gesamten Dickdarmes und die Bildung eines „Ersatzreservoirs“ (Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage) zur Heilung der Krankheit beitragen.
Medikamentöse Therapie
Eine Colitis ulcerosa wird heute überwiegend medikamentös behandelt. Bei einem akuten Schub erhält der Betroffene entzündungshemmende Medikamente wie Aminosalizylate, bei einem mittelschweren und schweren Schub kommen Steroide zum Einsatz. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen eignen sie sich jedoch nicht für eine Dauertherapie. Daher erhalten Patienten mit chronisch aktiven Krankheitsverläufen oder wenn sie nicht auf Steroide ansprechen andere Medikamente, z.B. Azathioprin oder TNF-alpha-Antagonisten. Bei hochakuten Schüben erfolgen auch Therapieversuche mit Cyclosporin. Entscheidend ist, dass wir in solchen Fällen unsere Beratungen immer im interdisziplinären Team mit Internisten und Chirurgen durchführen und Entscheidungen gemeinsam treffen.
Operative Therapie
Erzielt die medikamentöse Therapie nicht das gewünschte Ergebnis oder treten starke Nebenwirkungen auf, sollte die Colitis ulcerosa chirurgisch behandelt werden. Eine Operation kann darüber hinaus erforderlich sein, wenn Notfallsituationen wie Darmperforationen eintreten, ein erheblich erweiterter Dickdarm (toxisches Megakolon) vorliegt oder die Vorstufe eines bösartigen Tumors oder gar ein bösartiger Tumor entstanden ist.
Das Ziel des chirurgischen Eingriffs ist die komplette Entfernung der erkrankten Dickdarmschleimhaut bei gleichzeitigem Erhalt der Kontinenzfunktion (restaurative Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage). Dabei entfernen erfahrene Chirurgen den gesamten Dickdarm und Mastdarm und bilden aus dem unteren Dünndarmabschnitt (Ileum) ein Stuhlreservoir (Pouch), der dann mit dem Anus verbunden wird. Der Pouch übernimmt nach der Operation die Funktion des Mastdarms (Rektum).
Zum Schutz der Operationsnaht legen wir dem Patienten vorübergehend einen künstlichen Darmausgang (Ileostoma) an, den wir nach etwa drei Monaten wieder zurückverlegen.
Die Operation lässt sich minimalinvasiv (laparoskopisch) durchführen. Das verursacht in der Regel geringere Schmerzen und die Patienten erholen sich schneller. Die langfristige Lebensqualität nach diesem Eingriff ist gut und in der Regel vergleichbar mit der der Normalbevölkerung.
Seit gut 30 Jahren führen wir die spezielle Operation bei einer großen Zahl an Patienten durch und verfügen somit über umfangreiche Erfahrungen. Zur Beratung bieten wir Ihnen eine Spezialsprechstunde, in der Sie mit Chirurgen über wirksame Behandlungsformen und Ihre individuelle Situation sprechen können.
Nachsorge
Eine regelmäßige Nachsorge ist wichtig, um eventuell nach der Operation auftretende Probleme wie eine Pouch-Entzündung (Pouchitis) rechtzeitig erkennen zu können. Daher führen wir bei unseren Colitis-ulcerosa-Patienten regelmäßig medizinische Kontrolluntersuchungen durch. Hierzu gehören körperliche Untersuchungen ebenso wie jährliche Endoskopien. Vereinbaren Sie dazu am besten einen Termin in unserer CED-Sprechstunde (LINK!).
Häufige Nachfragen
Lässt sich die Proktokolektomie mit ileoanaler Pouch-Anlage minimalinvasiv durchführen?
Ja, das ist möglich. Das minimalinvasive Verfahren ist hinsichtlich der Komplikationsrate mit dem offenen konventionellen Verfahren vergleichbar. Vorteile der minimalinvasiven Technik sind die kosmetisch hervorragenden Ergebnisse aufgrund kleinster, kaum sichtbarer Narben sowie die schnellere Regeneration nach dem chirurgischen Eingriff.
Wie häufig kommt es zu einer Entzündung des Pouches?
Eine Entzündung des Pouches (Pouchitis) tritt bei circa 40 Prozent der Patienten mindestens einmal auf. Sie lässt sich jedoch gut mit Antibiotika behandeln.
Wie viele Stuhlgänge habe ich nach einer Pouch-Operation im Durchschnitt?
Auf längere Sicht gesehen liegt die durchschnittliche Stuhlentleerung bei sieben Toilettengängen innerhalb von 24 Stunden.
Kann ich nach einer Pouch-Operation wieder Sport treiben?
Ja, dies ist in den meisten Fällen sehr gut möglich. Im Großen und Ganzen können Sie Ihren sportlichen Aktivitäten ohne Einschränkungen nachgehen.
Muss ich nach einer Pouch-Operation eine Diät einhalten?
Bislang gibt es keine speziellen Ernährungsempfehlungen. Sie sollten anfangs jedoch sehr scharfe und saure Speisen meiden, da sie unterschiedlich vertragen werden. Wichtig ist auch hier eine vollwertige und möglichst vielseitige Ernährung.
Spezialisten
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Dr. med. Christine Leowardi
Erste Oberärztin (Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie)
Oberärztin
Schwerpunkt
Notfallmedizin, Leitung Chirurgische Ambulanz und ambulantes Operieren
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Dr. med. Irmgard Treiber
Assistenzärztin (Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie)