Familiäre adenomatöse Polyposis coli (FAP)

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektionskrankheiten, Vergiftungen

Definition der Erkrankung

Bei der Familiären Adenomatösen Polyposis coli (FAP) handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit, bei der Schleimhautpolypen hundert- bis tausendfach im Dickdarm (Kolon) auftreten. Polypen sind erst einmal gutartige Schleimhautaufwerfungen, die vereinzelt bei allen Menschen entstehen können. Ihre Größe reicht von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern. Die Statistik geht von einem Betroffenen pro 5.000 bis 10.000 Einwohner aus.

Aufgrund der mikroskopischen Struktur bezeichnen Ärzte die massenhafte Polypenansammlung als Adenome (gutartige Geschwulst aus Drüsengewebe). Ohne Behandlung entwickelt sich bei nahezu allen FAP-Patienten aus mindestens einem dieser Adenome über die Jahre Dickdarmkrebs. Weltweit sind etwa ein Prozent aller Dickdarmerkrankungen auf eine FAP zurückzuführen.

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Symptome

Bei einer FAP treten eher allgemeine Symptome auf wie rektale Blutungen, Durchfälle und krampfartige Bauchschmerzen. Die Mehrzahl der Betroffenen hat keine Beschwerden. Kommen jedoch Gewichtsverlust, Blutarmut und Verstopfung hinzu, sind dies Hinweise darauf, dass die Erkrankung fortschreitet.

Ursachen

Die FAP basiert auf einer genetischen Veränderung (Mutation). In der Mehrzahl der Fälle liegt diese Veränderung auf dem APC-(Adenomatöse-Polyposis-coli-)Gen auf Chromosom 5. Der Vererbungsweg ist autosomal-dominant, d. h., die Erkrankung ist geschlechtsunabhängig und wird von Generation zu Generation weitervererbt. Schon die Mutation eines einzigen der immer paarig angelegten Gene bewirkt das Auftreten der Erkrankung. Der Vererbungsvorgang findet sich in aller Regel bei der klassischen Form und einem Teil der abgemilderten Formen.

Andere Betroffene weisen eine Mutation auf dem sogenannten MUTYH-Gen auf dem Chromosom 1 auf. Der Vererbungsgang ist autosomal-rezessiv. Das bedeutet, die Erkrankung tritt nur auf, wenn die Mutation auf beiden Chromosomen zu finden ist. In diesem Fall haben die Betroffenen die Mutation von beiden Eltern geerbt. Ist ein Chromosom verändert und das andere gesund, so ist man lediglich ein Anlageträger, selbst aber nicht an einer FAP erkrankt. Bei dieser Form können Generationen übersprungen werden. Diese Mutation führt meist zu einer abgemilderten (attenuierten) Verlaufsform.

Diagnose

Die Früherkennung einer FAP, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und die rechtzeitige Behandlung tragen entscheidend dazu bei, die Krebsentwicklung zu verhindern bzw. in einem möglichst frühen Stadium zu behandeln.

Zu den Vorsorgeuntersuchungen zählen klinische und endoskopische Verlaufskontrollen sowie das Ermitteln von Risikopersonen (Screening).

Da eine FAP meist autosomal-dominant, d. h. geschlechtsunabhängig vererbt wird, hat jedes Kind eines FAP-Patienten ein 50-Prozent-Risiko, ebenfalls daran zu erkranken. Denn mit gleicher Wahrscheinlichkeit werden entweder eine Kopie des gesunden oder des veränderten Gens weitergegeben. Kinder von FAP-Patienten sind daher Risikopersonen ersten Grades. In der Regel werden sie ab dem 10. Lebensjahr in ein Vorsorgeprogramm aufgenommen, da zu diesem Zeitpunkt der Darmkrebs mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht aufgetreten ist.

Mithilfe der molekulargenetischen Diagnostik lässt sich häufig feststellen, ob die FAP-verursachende Mutation an die Kinder vererbt wurde. Ist der familienspezifische genetische Defekt bekannt, können sich Risikopersonen auf das Vorliegen dieser Mutation untersuchen lassen. Findet sich die Mutation bei der untersuchten Person, ist sie sicher an FAP erkrankt und muss künftig regelmäßig endoskopische Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen. Kann der familienspezifische genetische Defekt nicht nachgewiesen werden, gilt die Person als nicht von der FAP betroffen; sie benötigt in der Folge keine weiteren Vorsorgemaßnahmen.

Bei molekulargenetisch gesicherter Diagnose, aber auch bei fehlender Möglichkeit einer molekulargenetischen Sicherung (z. B. weil die familienspezifische Mutation nicht bekannt ist) finden jährlich endoskopische Untersuchungen statt, um den optimalen Zeitpunkt für eine operative Therapie zu bestimmen. Bei Kindern werden zunächst jährliche Spiegelungen des Mastdarmes (Rektoskopie) durchgeführt. Lassen sich Polypen nachweisen oder treten klinische Symptomen auf, ist eine jährliche Spiegelung des gesamten Dickdarms (Koloskopie) bis zum Operationszeitpunkt notwendig. Bei einer abgemilderten (attenuierten) Verlaufsform beginnt die endoskopische Vorsorge zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr mithilfe einer kompletten Dickdarmspiegelung, da lediglich oft ein rechtsseitiger Polypenbefall ohne Beteiligung des Mastdarmes vorliegt.

Genetische Poliklinik

Interdisziplinäres Endoskopiezentrums Heidelberg

Die Polypenhäufung kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Entsprechend lässt sich die FAP grob in zwei Verlaufsformen gliedern: die klassische und die abgemilderte (attenuierte) Form.

Bei der klassischen Form finden sich über hundert bis mehrere tausend Polypen im gesamten Dickdarm, wobei besonders der Mastdarm befallen ist. Die Polypen manifestieren sich typischerweise in der Pubertät. Erste Symptome treten mit durchschnittlich 34 Jahren auf. Wird die FAP nicht behandelt, entsteht innerhalb weniger Jahre Dickdarmkrebs. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt hier bei 40 Jahren. Meist kann als Ursache ein genetischer Defekt auf dem APC-Gen auf dem langen Arm von Chromosom 5 nachgewiesen werden.

Eine Variante der klassischen Form stellen die milderen (attenuierten) Verlaufsformen dar. Die Polypenanzahl variiert dabei von weit unter 50 bis 100. Der Schwerpunkt des Befalls liegt im oberen Dickdarmbereich, wobei der Mastdarm kaum oder gar nicht betroffen ist. Gegenüber der klassischen FAP verzögert sich die zeitliche Entwicklung der Erkrankung im Schnitt um 10 bis 25 Jahre. Den abgemilderten Formen können genetische Defekte des APC-Gens oder des MUTYH-Gens zugrunde liegen. Derzeit lässt sich die genetische Veränderung (Mutation) häufig noch nicht eindeutig nachweisen.

Neben Dickdarmpolypen können bei der FAP weitere Krankheitsausprägungen auftreten. Dazu zählen einerseits Veränderungen mit Krankheitswert (Desmoide, Duodenaladenome) und andererseits Veränderungen, die lediglich Hinweise auf das Vorliegen einer FAP liefern können (sogenannte prädiktive Faktoren).

Desmoide sind seltene gutartige Tumore im Bindegewebe. Sie treten bei etwa einem Fünftel der FAP-Patienten nach einer Operation auf und befinden sich überwiegend im Bauchraum, in der Bauchwand, selten außerhalb der Bauchregion. Desmoide können durch ihren Größenzuwachs teils schmerzhafte Komplikationen auslösen wie Einengungen von Dünndarm, Harnleitern oder Blutgefäßen. Die Behandlungsmöglichkeiten reichen von einer medikamentösen Therapie über operative Maßnahmen bis hin zur Bestrahlung oder einer speziellen Chemotherapie. Um ihre Größenentwicklung genau im Blick zu haben, sollten Patienten mit Desmoiden regelmäßig Verlaufskontrollen mit Kernspintomografie durchführen lassen.

Der Zwölffingerdarm (Duodenum) ist der etwa 20 cm lange Teil des Dünndarms, der an den Magen anschließt. Bei 50 bis 90 Prozent der FAP-Betroffenen treten in diesem Bereich Polypen (Duodenaladenome) auf. Auch wenn das Risiko einer Krebsentwicklung insgesamt deutlich geringer ist, tragen diese Polypen dennoch – ähnlich wie die Polypen im Dickdarm – dieses Risiko in sich. Hinzu kommt, dass die Ausprägung der Polypen im Zwölffingerdarm stark variiert. Sie kann von nicht sichtbaren Mikroadenomen bis hin zum Auftreten vieler großer Polypen reichen.

Umso wichtiger sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen mittels einer Magenspiegelung (Gastroskopie). Damit können, falls erforderlich, frühzeitig geeignete Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Das Spektrum der Maßnahmen reicht von der endoskopischen Abtragung einzelner Polypen bis hin zu verschiedenen chirurgischen Verfahren, z. B. die operative Entfernung einzelner großer Polypen oder die Entfernung des gesamten Zwölffingerdarmes unter Erhalt der Bauchspeicheldrüse (pankreaserhaltende Duodenektomie). Eine solche Operation kommt nur bei ausgeprägten, endoskopisch nicht mehr sicher zu überwachenden Duodenaladenomen infrage.

Häufig finden sich im Magen polypenartige Schleimhautaufwerfungen, sogenannte Drüsenkörperzysten ohne Krankheitswert. Selten können aber auch im Magen größere behandlungsbedürftige Adenome auftreten, die dann eine kontinuierliche Überwachung erfordern.

Selten lassen sich im Zusammenhang mit der FAP bösartige Tumore der Schilddrüse, der Leber, des Zentralnervensystems und der Bauchspeicheldrüse beobachten.

Hinweise auf das Vorliegen einer FAP liefern auch folgende Veränderungen:

  • CHRPE: typische bärentatzenförmige Pigmentierungen des Augenhintergrundes
  • Osteome: gutartige Knochengeschwülste, die oft im Kopfbereich angesiedelt sind
  • Fibrome: gutartige Geschwülste des Bindegewebes (abzugrenzen von Desmoiden)
  • Lipome: gutartige Geschwülste des Fettgewebes
  • Zahnanomalien: Fehlstellungen, Fehlanlagen, überzählige Zähne

Ablauf der Behandlung

Grundsätzlich raten wir bei der FAP zu einer operativen Entfernung des Dickdarms, um das Risiko der Entstehung von Krebs auf dem Boden von Polypen auszuschalten. Je nach Verlaufsform stehen in der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg unterschiedliche Verfahren zur Verfügung.

Bei der klassischen FAP und bei abgemilderten Formen mit Polypenbefall im Mastdarm ist dieses Verfahren heutzutage unsere operative Methode der Wahl. Hierbei bildet das OP-Team nach der kompletten Entfernung des Dickdarms einen beutelförmigen Ersatzmastdarm (Pouch) aus dem angrenzenden Dünndarm, sodass eine Stuhlentleerung wie gewohnt möglich ist.

Der Eingriff kann konventionell mit einem Bauchschnitt oder minimalinvasiv (laparaskopisch) erfolgen. Um das Risiko von Komplikationen zu minimieren, wird während der Pouchanlage zunächst ein künstlicher Darmausgang (Stoma) angelegt. Dieser kann gewöhnlich nach drei Monaten in einem kleineren Eingriff wieder zurückverlegt werden. Nach der Entfernung des Dickdarms müssen die Betroffenen mit einer erhöhten Stuhlfrequenz rechnen, die im Durchschnitt bei 4- bis 8-mal pro 24 Stunden liegt. In der Regel können Sie nach einem individuell unterschiedlichen Genesungszeitraum (Rekonvaleszenzzeit) wieder ein weitgehend unbeeinträchtigtes Leben führen.

Bei dieser Operation entfernen wir den Dickdarm bis auf den Mastdarm. Voraussetzung für diesen Eingriff ist, dass sich im Mastdarm keine Polypen befinden. Daher kann dieser Eingriff in der Regel nur bei Patienten mit einer abgemilderten (attenuierten) Form vorgenommen werden. Diesen Eingriff können wir minimalinvasiv durchführen, ein vorübergehender künstlicher Darmausgang ist normalerweise nicht notwendig.

Ist eine Pouchanlage technisch nicht umzusetzen, wird der Dickdarm komplett entfernt und ein dauerhaft künstlicher Darmausgang gelegt. Diesen Eingriff nehmen wir jedoch nur selten vor.

Diesen Eingriff nehmen wir nur selten vor. Zum geeigneten Zeitpunkt einer Operation lässt sich weder eine allgemeingültige Aussage treffen, noch gibt es dazu spezielle Leitlinien von den Fachgesellschaften. Der optimale Zeitpunkt einer Operation ist individuell verschieden und hängt vom Verlauf der Erkrankung, den endoskopischen und feingeweblichen Befunden sowie der Allgemeinsituation des Patienten ab.

Altersunabhängig ist eine Operation unvermeidlich, wenn die Polypen größer als 1 cm sind, ein erhebliches Fortschreiten im Verlauf zu beobachten ist, hochgradige Zellveränderungen nachgewiesen werden oder klinische Symptome auftreten. Besteht keine vorzeitige Operationsindikation, führen wir bei der klassischen Form standardmäßig die komplette Entfernung des Dickdarmes mit Pouchanlage durch, sobald die Pubertät mit 18 bis 20 Jahren abgeschlossen ist. Dabei berücksichtigen wir bei der Festlegung des OP-Termins persönliche Umstände wie Schule, Ausbildung, Beruf oder soziales Umfeld.

Nachsorge

Auch nachdem der Dickdarm entfernt worden ist, kommt der lebenslangen Nachsorge eine große Bedeutung zu. Denn dadurch lässt sich das Auftreten von Krankheitsmanifestationen außerhalb des Dickdarms rechtzeitig erfassen und es können erforderliche therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden.

Am häufigsten beobachten wir bei unseren Patienten Duodenaladenome (Polypen im Zwölffingerdarm) mit dem Risiko der malignen Entartung sowie Desmoide, die eine besondere therapeutische Herausforderung darstellen. Das Hauptaugenmerk unseres Nachsorgeprogramms liegt daher auf der Früherkennung und individuellen Therapie dieser Krankheitsmanifestationen. Vor allem Patienten mit einem komplizierten Desmoidverlauf profitieren von der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Onkologen, Radiologen und Strahlentherapeuten.

Da sich nach Dickdarmentfernung und Pouchanlage häufig Polypen im Pouch selbst entwickeln können oder im Bereich der Annahtstelle des Pouchs an den Schließmuskelbereich (pouchanale Anastomose) auftreten, beinhaltet die Nachsorge auch eine besondere Beurteilung dieser Region.

Ablauf der Nachsorge

Die Nachsorge erfolgt über die Polyposis-Sprechstunde der Klinik für Gastroenterologie in der Medizinischen Universitätsklinik.

Bei unauffälligen Befunden umfassen die weltweiten allgemeinen Richtlinien für die FAP-Nachsorge folgende Untersuchungen:

Im jährlichen Rhythmus:
  • eine körperliche Untersuchung
  • eine Spiegelung des Pouchs (Pouchoskopie)
  • eine Begutachtung der Annahtstelle des Pouchs an den Schließmuskelbereich mit einem starren Untersuchungsgerät (Proktoskopie)
Im 3-Jahres-Rhythmus:
  • eine Magenspiegelung (Gastroskopie)
Im 6-Monats-Rhythmus:
  • eine Spiegelung des Mastdarms nach inkompletter Dickdarmentfernung unter Erhalt des Mastdarms

Bei auffälligen Befunden können die Untersuchungsabstände abweichen oder zusätzliche Untersuchungen erforderlich sein. In jedem Fall erstellen wir immer einen individuellen Nachsorgeplan.

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