Varianten der Geschlechtsentwicklung

Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen

Definition der Erkrankung

Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD für Differences of Sexual Development) fallen meist erst bei der Geburt auf, andere erst in der Pubertät oder später. Oft führt das Ausbleiben der ersten Periode (Menarche) in unsere gynäkologische Sprechstunde.

Bekannte genetische Störungen sind numerische oder strukturelle Aberrationen (Veränderungen) des X-Chromosoms (z.B. 45,X =  Ullrich-Turner-Syndrom). Liegt ein XY-Chromosomensatz vor, aber trotzdem ein normales weibliches Erscheinungsbild mit weiblicher Entwicklung der Geschlechtsorgane, handelt es sich vermutlich um eine Gonadendysgenesie ( Swyer-Syndrom) oder ein Nichtansprechen der Körperzellen auf männliche Hormone ( CAIS). Bei diesen XY-Mädchen/Frauen kann die Gebärmutter klein sein (Swyer-Syndrom) oder gar fehlen (CAIS). Jedenfalls fehlen funktionsfähige Eierstöcke. Bei XX-Mädchen mit gestörter Anlage der Keimdrüsen kann die Monatsblutung ebenfalls vollständig ausbleiben oder zunächst zwar einsetzen und dann zu einem späteren Zeitpunkt wie in den Wechseljahren wegbleiben.

Weitere Informationen

Symptome

Die Entwicklung von Gonadendysgenesien (gestörte Anlage der Keimdrüsen)

Der weibliche und der männliche Embryo entwickeln sich zunächst in der frühen Schwangerschaft identisch. In dieser frühen Phase haben Embryonen zwei Gonaden, welche die Möglichkeit haben, sich entweder zu Hoden oder zu Eierstöcken weiter zu entwickeln. Embryonen enthalten außerdem zu Beginn sowohl männliche als auch weibliche innere Gewebestrukturen, die unter Einfluss der Expression bestimmter Gene (SRY, SOX9, FOXL2, AR) dann schrittweise zu männlichen oder weiblichen Organen werden. Dabei spielt die Kontrolle über verschiedene Hormone, wie Testosteron, Östradiol, Inhibin, AMH eine besondere Rolle. So unterdrückt beispielsweise das vom Hoden gebildete Hormon AMH die Entwicklung der Gebärmutter aus den Müllerschen Gängen.

Eierstöcke wie auch Hoden produzieren übrigens lebenslang männliche Hormone (z.B. Testosteron), die bei der Frau zu Beginn der Pubertät dann auch als Vorstufe zur Bildung der weiblichen Hormone (Östrogene) dienen.

So kann man sich leicht vorstellen, dass bei Embryonen mit einem männlichen XY-Chromosomensatz an verschiedenen Stellen die Entwicklung in Richtung Mädchen sozusagen "abbiegen" kann und eine Geschlechtsdifferenzierung in Richtung Mädchen erfolgt.

Die genetische Kontrolle für die weibliche wie männliche Gonaden-Entwicklung wird bereits im frühen Embryo von einer Serie von funktionell vernetzten Genen beeinflusst.

Ihre Aktivität während der Gonaden-Entwicklung ist dabei mengenmäßig wie auch in der Zeit streng kontrolliert.

Heute sind keine langen Irrwege von Patienten mit möglicher DSD mehr nötig, um die richtige Diagnose für die möglichen Ursachen solch einer besonderen Entwicklung der Geschlechtsdifferenzierung zu stellen und diese dann gegebenenfalls in die gewünschte Richtung zu steuern.

Ablauf der Behandlung

Eine erste differentielle DSD-Diagnose lässt sich in der Regel nach wenigen unkomplizierten Untersuchungen stellen. Diese sind in der Regel eine Blutentnahme für Hormonbestimmungen und Gendiagnostik und ein Ultraschall. Manchmal kann vielleicht nicht sofort geklärt werden, welche genetische Veränderung dann tatsächlich die Ursache für die Störung ist. Dies ist jedoch im Detail für den von uns vorgeschlagenen Therapieplan und das weitere Leben der Patientin nicht so entscheidend.

Bei einer diagnostizierten Gonadendysgenesie und dem Chromosomensatz 46,XY in den Blutzellen der Patientin besteht ein etwa 30 prozentiges Risiko, dass die Keimzellen in diesen Gonaden sich zu sogenannten Gonadoblastomzellen entwickeln mit dem Potential der weiteren Tumorentwicklung (Dysgerminom). Weitere Informationen hier.

Bei manchen dieser DSD-XY-Patientinnen müssen die Keimdrüsen deshalb entfernt werden. Um diesen Personenkreis möglichst einzugrenzen, wird in unserer Abteilung ebenfalls nach potentiellen Ursachen dieser Keimzell-Entartung geforscht. Wir arbeiten eng zusammen mit der XY-Selbsthilfegruppe in Trier.

Um einen fehlenden Hormonbedarf zu decken, müssen die Patientinnen medikamentös behandelt werden. Die individuell geeignete Hormontherapie sollte dabei optimal an die spezifischen Bedürfnisse der Patientin angepasst werden und immer wieder neu entsprechend der aktuellen Lebensphase justiert werden.